Stories

August 2006

Die neue Blind Guardian Scheibe "A Twist In The Myth" erscheint in diesen Tagen und dürfte bei vielen Freunden des Genres ganz oben auf dem Kaufzettel stehen. Die Band selbst stand uns auf dem Wacken Open Air für ein Interview zur Verfügung. Wir sprachen mit den Gitarristen André und Markus über das neue Album, den neuen Drummer und die Zukunftspläne.

In den letzten Jahren konnte man euch in Wacken nicht mehr sehen. Wann spielt ihr denn mal wieder hier?

Wir haben hier schon 3 bis 4 mal hier gespielt. 2002 waren wir zum Beispiel das letzte mal hier. Damals als W:O:A -Headliner. Wenn du dich vielleicht nächstes Jahr auch hier her begibst hast du eine gute Chance, uns hier noch mal zu sehen.

Ihr habt nun zum ersten mal ein Album mit eurem neuen Drummer Frederik eingespielt. Die Trennung von Thomen Stauch war Anfangs noch ganz harmonisch. Jetzt macht Thomen mit  Savage Circus im Grunde etwas ähnliche wie ihr, obwohl es hieß, er will stilistisch etwas anders machen. Was denkt ihr Nachhinein darüber, dass er euch nun mit der neuen Band etwas nacheifert?

Wenn er traditionelle Musik machen möchte, dann ist das ok. Er hat dies ja auch schon gemacht, als er in Blind Guardian war. Es gab deswegen auch keine Probleme. Die Trennungsgründe liegen wo anders und die Trennung hat eigentlich nichts mit dem „musikalischen Differenzen“ zu tun. Das war eigentlich weniger wichtig.

Wie habt ihr Frederik kennen gelernt? Habt ihr aktiv gesucht?

Nein, wir wollten gerade loslegen, und dann meinte der Zufall es gut mit uns, denn Frederik hat uns gefunden. Er hat auf unserer Website gesehen, dass Thomen ausgestiegen ist und hat dann sofort eine DVD aufgenommen, auf der er alte Blind Guardian Stücke getrommelt hat. Er war zu der Zeit gerade mit seinem Schlagzeugstudium fertig geworden und auf der Suche nach einer Band, in der er spielen kann. Da kamen wir ihm gerade gelegen und er uns. Dann haben wir seine DVD gesehen und gleich gedacht „Wow“, der spielt die alten Stücke mit dem richtigen „Flair“. Wir haben ihn dann eingeladen um zu kucken, was er für ein Typ ist und er passte dann auch noch menschlich zu uns. Er ist eher ein ruhiger Typ, der eigentlich prima in unsere Reihen passt. Wir haben dann ein bisschen zusammen gespielt. Er ist mit Blind Guardian Musik aufgewachsen, er hat immer unsere Sachen gehört und weiß somit auch worauf es ankommt. Gerade bei den alten Sachen. Wir wollten natürlich auch nicht den Blind Guardian Flair verlieren und das hat er genau raus, wie er das spielen muss, damit es noch so klingt. Bei den neuen Stücken hat er sich dann selbst eingebracht und seinem eigenen Style mit eingebaut, was die ganze Sache sehr belebt und sehr erfrischt hat, weil er natürlich technisch noch mehr Möglichkeiten hat, da er es studiert hat. Da kann er jetzt nun aus dem Vollen schöpfen. Das haben wir natürlich auch direkt mit ins neue Album eingebracht. Wir sind alle nach wie vor sehr begeistert.

Hat Frederik vorher schon in anderen Bands gespielt?

Ja, er hat eine eigene Band, die heißt Schattentanz und er hat noch in diversen Cover Bands gespielt, aber eher im lokalen Bereich. Jetzt geht es richtig los für ihn, er ist auch voll bei der Sache und es macht ihm riesigen Spaß. Nun wollen wir mal sehen was auf Tour alles passiert, weil es natürlich für ihn nun nach der Platte die zweite große Herausforderung ist. Wir haben ganz klar versucht, uns so gut wie möglich vorzubereiten, haben auch geprobt. Es kommen auch noch ein paar weitere Proben im August. Wir haben 6 Shows schon gespielt: Vier Warm-Up-Shows im Mai und letztes Wochenende zwei Festivals in Spanien. Und da konnte man schon sehen, dass wir als Band schon wieder auf dem Punkt sind. Wir brauchen jetzt vielleicht noch ein paar Proben, dann können wir nahtlos da anknüpfen wo wir aufgehört haben. Wir sind selbst sehr zufrieden über unsere Leistung.

Jetzt wollen wir zu eurem neuen Album kommen, dass sehr klasse ist. Ihr habt jetzt wieder einen Drachen auf dem Cover. Wer zeichnet diese für euch und derjenige der dies für euch macht, trifft er immer euren Geschmack oder müsst ihr da öfter noch etwas korrigieren?

Es ist immer sehr, sehr schwer mit andern Künstlern zusammen zu arbeiten. Da haben wir schon einige derbe Sachen erlebt. Gerade bei „A Night At The Opera“ ist in letzter Sekunde unser Coverzeichner abgesprungen und wir mussten dann eben ganz auf die Schnelle etwas mit Paul Gregory machen. Diesmal haben wir mit Anthony Clarks gearbeitet, er hört auch viel Blind Guardian und kennt unsere alten Sachen. Wir haben ihm ein bisschen Musik vorgespielt, konnten ihm aber auch nicht zu viel Preis geben. Und er hat versucht, dementsprechend etwas passendes zu machen. Clarks hat versucht für Blind Guardian das perfekte Cover zu finden. Wir finden seinen technischen Stil sehr gut. Wir haben vorher andere Cover gesehen die er gemacht hat, diese wirken relativ modern. Wir haben auch alte Elemente mit neuen verbunden und deswegen fanden wir das ganz passend.

Ist es Zufall, dass ihr auch öfter mal ein Buch mit auf dem Cover habt?

Wir lesen gerne (lacht). Ich denke, dass ist ähnlich wie der legendäre Kutten-Wahn der Guardians. Das sind Elemente die immer wieder auftauchen, die natürlich auch stilistisch von den Zeichnern immer wieder gerne aufgegriffen werden um einen gewissen Wiedererkennungswert zu kreieren. Aber das liegt wirklich bei den Zeichner selbst, wir nehmen da wenig Einfluss drauf. Man gibt meistens mehrere Themen vor die, in den Texten vorkommen aber da gibt es immer mehrere zur Auswahl. Damit sollen die Zeichner sich eins rausziehen mit dem sie am besten klar kommen und dann versuchen etwas draus zu machen. Reiner Zufall also.

Hat der Titel der neuen Platte eine tiefere Bedeutung? Bezieht er sich auf die Texte?

Nein, er bezieht sich nicht auf einzelne Texte. Es gab in der jüngeren Vergangenheit der Band einige Twists, daher passt das schon, z. B.  der Wechsel unserer Plattenfirma, musikalisch orientieren wir uns mit jeder Platte wieder neu. Hansi hat gesagt, dass man in den Texten einer gewissen Linie folgt, einer Story und an einem bestimmten Punkt schwenkt die Geschichte auf einmal wieder um, um 180 Grad und das ist eben der gewisse Twist. Das zieht sich eigentlich durch fast alle Storys auf dem Album.

Bei dem letzten Album „A Night At The Opera“ haben viele gesagt es wäre zu bombastisch aufgenommen und zu überdreht, habt ihr euch das etwas zu Herzen genommen für die neue Scheibe?

Wir waren uns darüber bewusst aber wir hätten es jetzt nicht auf Grund der Kritik geändert, es ist eher natürlich entstanden, dass wir einen anderen Weg gehen wollen. Die „Night At The Opera“ war für uns vom Konzept her perfekt, die war genauso wie wir sie haben wollten. Sehr ähnlich und auch sehr bombastisch. Das war damals der Grundgedanke den wir erreichen wollten. Ich denke mal, dass wir mit „And Then There Was Silence“ auch eine Nummer geschaffen haben, die inzwischen von den Fans als Oldtime-Klassiker geliebt wird, von daher sehe ich das nicht so, dass wir irgendwas falsch gemacht hätten. Aber wir konnten es auch nicht mehr toppen, das war uns auch bewusst. Wir mussten so oder so einen anderen Weg einschlagen. Wir haben Gituarrenorchestrationen weggenommen, viele Chöre weggelassen und das ganze etwas rhythmischer zu gestalten. Von vorne rein haben wir festgelegt, dass wir eine klare Gesangslinie wieder haben wollen. Das man auch ein bisschen Progressivität raus nimmt. Um einfach streighter Songs zu haben, mehr auf Rhythmus und Groove zu setzen. Ich glaube, dass ist ganz  gut gelungen, vor allem mit den neueren Elementen, die wir mit in die Musik haben einfließen lassen. Es sind ja viele neue Rhythmen dazu gekommen, dadurch sind die Gitarren wieder mehr betont. Es gibt einfach einem ganz anderen Flair. Man erkennt zwar diese typischen Blind Guardian Songs, hat aber ein ganz anderes Rhythmus Gefühl. Bei den Liedguitarren hab ich diesmal anders gearbeitet, viel mehr ausgetauscht. Ich habe viel früher auf die anderen Ideen reagiert und dann dementsprechend meine Melodien abgewandelt, um seine zu unterstützen und das hat sich am Ende doch stark bemerkbar gemacht. Man kann den Songs viel schneller folgen und brauch nicht mehr so eine lange Zeit in die Songs rein zu kommen, was man vielleicht bei „A Night Of The Opera“ hatte. Die Songs auf dem Album waren sehr fordernd und man musste sich wirklich damit auseinander setzen. Jetzt würde ich immer noch sagen dass es kein „Easy-Listening“ Album ist, aber man kommt schneller rein.

Gibt es ein Song in diesem Album, der besonders schwierig einzuspielen war oder schwierig zu arrangieren?

Von der Spielleistung würde ich sagen, es gibt immer etwas schwierigere Parts und etwas einfachere, aber das war eigentlich nicht die Herausforderung. Diese bestand eher darin, Songs zu schreiben, die sowohl innovativ sind als auch die alten Elemente wieder mitbringt. Da würde ich sagen ist es uns mit ,Fly’ am betsen gelungen, den wir dann auch als Single veröffentlicht haben, um direkt ein Statement zu setzen und zu zeigen, wir sind noch in der Lage, immer noch was neues zu finden und immer noch den Metal irgendwo anders hin zu transportieren, obwohl wir schon so viele Alben gemacht haben und Ideen verbraten haben. Man muss immer versuchen am Zeitgeist zu bleiben und versuchen einfach sich selbst den Kick zu geben. Man darf aber auch nicht seine Wurzeln verlassen und das ist so eine Gradwanderung die sehr schwer ist. Ich finde bei ,Fly` ist das sehr gut gelungen, darum würde ich diesen Song rausheben.

Ist ,Fly` euer Lieblingssong der Scheibe?

Einer der stärksten. Aber mein Lieblingssong ist momentan, This Will Never End` weil er einfach von vorne bis hinten richtig abgeht. Aber die Sache mit den Lieblingssongs ist eher so tagesabhängig. Ich könnte jetzt einen sagen und heute Abend ist es wieder ein anderer. Das wechselt einfach ständig.

Ihr habt auf der Scheibe auch den Song, Skalds And Shadows` drauf. Den hören wir momentan ganz of. Es dies auch so einer in dem Frederik sich einbringen konnte?

Auf jeden Fall. Er hat bei Skads auch noch Flöte gespielt. Hat also schon direkt von Anfang an versucht, sich mit einzubringen, was bei dem Song sehr gut gelungen ist. Wo er es noch sehr stark eingebracht hat, ist bei ,Carry The Blessed Home´ da hat er nämlich den Dudelsack ausgepackt. Er hat ordentlich den Dudelsack geblasen, was auch sehr beeindruckend war.

Andere Bands wie z.B. Gamma Ray bringen alle zwei Jahre ein neues Album raus. Bei Euch dauert es immer etwas länger. Braucht ihr diese kreative Phase zwischendurch?

Ja wir trennen hierbei Tour und Songwriting konsequent voneinander. Unsere Tourneen sind mit den Jahren so viel größer geworden. Wir waren bei der „Night At The Opera“ 1 ½ Jahre auf Tour. Dann haben wir danach die Live CD produziert sowie die DVD. Die ganze Planung haben wir selber gemacht. Das Produzieren der CD war auch wieder Neuland, wir wollten auch wieder was perfektes, dadurch ist auch ein halbes Jahr ins Land gegangen. Aber für das Songwriting selbst nehmen wir uns auch eine lange Zeit weil wir der Meinung sind, dass wir keine Lückenfüller auf den Alben brauchen. Wir sind auch nicht darauf angewiesen, jedes Jahr ein Album raus zu hauen. Ich finde es auch angenehmer, nur alle vier Jahre eine Welttournee zu machen. Ich selbst hätte auch nicht das Bedürfnis meine Lieblingsband jedes Jahr zu sehen, sowie jedes Jahr ein Mittelklasse Album zu hören. Da würde ich lieber vorziehen, dass an den Ideen mehr gearbeitet wird. Man sagt ja immer, die goldenen 80er Jahre, da waren noch die Platten geil. Die jedoch nur eine halbe Stunde lang waren. Heutzutage sind locker 50 – 60 Minuten drauf. Daher kann das einfach nur auf Kosten der Qualität gehen, wenn man denselben Rhythmus einhalten würde wie damals. Ich denke, dass wir mit unserem 4-Jahres-Rhythmus ganz gut bedient sind und qualitativ gute Sachen machen können. Die Fans respektieren das auch, denn dafür bekommen sie die Qualität und ein Album ohne Lückenfüller.

Ihr sagtet, dass ihr 1 ½ Jahre auf Tour wart. Ist das etwas wo ihr euch immer wieder drauf freut?

Das Gute bei uns ist, dass wir eine relativ angenehme Art haben zu Touren. Das heißt wenn wir sagen wir sind 1 ½ Jahre auf Tour heißt das nicht, dass wir non Stop am Stück unterwegs sind. Wir starten jetzt Anfang September, sind 7 Wochen in Europa unterwegs, danach haben wir wieder zwei Wochen off, in denen man sich zu Hause etwas entspannen kann. Dann geht’s in Amerika wieder sechs Wochen weiter, dann über Weinachten wieder eine Pause bevor es weiter geht. So kann man seine Batterien immer mal wieder etwas auftanken. Sich entspannen, regenerieren und zurückziehen. Das macht das ganze wesentlich angenehmer.

Victor Smolski von Rage fährt Autorennen um von der Musik völlig abzuschalten. Was macht ihr?

Computerspiele, das reicht um abzuschalten. Da hat man Kontakt zu anderen Leuten, das ist ganz witzig.

Ihr seit mit Blind Guardian schon über 20 Jahre im Geschäft. Als ihr damals angefangen habt Musik zu machen, habt ihr euch das so erträumt wie es gekommen ist? Würdet ihr gerne noch was anderes machen oder seit ihr so zufrieden wie es gerade ist?

Es gibt noch Länder die wir noch nicht betourt haben, wo wir auf jeden Fall noch hin möchten. Es gibt Stücke die wir noch nicht geschrieben haben, die noch geschrieben werden sollen. Es gibt noch viel zu tun. Aber der den Weg den wir gehen wollten, war damals schon klar. Wir waren damals schon fest davon überzeugt, dass wir mal ganz groß werden. Wir sind eigentlich immer noch nicht da wo wir uns damals schon gesehen haben. Aber kann ja noch werden. Die Rolling Stones haben ja auch noch zwei Jährchen drauf gelegt.

Wie lange wollt ihr denn noch machen?

Ich weiß es nicht. Ich glaube das coole an Blind Guardian ist, dass wir uns eigentlich keine Zwängen aussetzten. Wir lassen es einfach auf uns zukommen und Pläne werden nur für die nächsten drei vier Jahre gemacht und danach sehen wir mal weiter, wo wir dann stehen. Aber die nächsten drei Jahre sind schon sehr verplant. Da haben wir große Ziele. Allein mit dem Orchesterprojekt was wir direkt nach der Tour aufnehmen wollen und eventuell ein großes Festival, was wir danach planen. Also es gibt schon noch viele Sachen die man machen kann. Es muss einen selber reizen, man muss selber noch den Kick bekommen, von den Sachen, die man vorhat. Aber der ist momentan da, weil wir einfach noch gute Ideen haben.

Wird das Orchesterprojekt ein Live-Album?

Das wird ein Studio-Album. Wir haben schon während der „Twist In The Myth“ Session mal ein Stück probeweise aufgenommen, mit dem weiß-eussischen Orchester. Involviert ist auch Victor Smolski der uns zur Seite steht. Jetzt haben wir aber gesehen, dass wir noch an dem Ergebnis arbeiten müssen, da es noch nicht so geworden ist wie wir uns das vorgestellt haben. Wir haben jetzt ein Produktionsverfahren entwickelt, wie wir das angehen wollen. Ist wieder sehr zeitaufwendig. Die Produktion wird uns auch wieder ein halbes Jahr aus dem Rennen nehmen. Aber dann werden wir wieder etwas sehr einzigartiges entwickelt haben.

Oliver Bender






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