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April 2003

Nach der wohlverdienten Pause sind Stratovarius wieder auf Tour und gastierten an diesem Abend auch in der Langener Stadthalle. Bei herrlichem Sonnenwetter beantwortete uns Drummer Jörg Michael ein paar Fragen zur Band, dem neuen Album „Elements Part I“ und zur allgemeinen Metal Landschaft...

Ihr habt eine etwas längere Pause hinter euch. Wie wichtig war diese Pause, nachdem ihr praktisch überall aufgetreten seid und ständig unterwegs wart?

Für mich eigentlich weniger wichtig weil ich mich nur gelangweilt habe. Für die anderen war es bedeutender. Zum Einen weil sie auch mal ausspannen wollten (z. B. Jens), Timo Tolkki wollte unbedingt an seinem Solo Album arbeiten, für das er auch schon einen Vertrag hatte, da stand die Plattenfirma natürlich hinten dran, dass die Scheibe auch mal veröffentlicht wird. Entscheidend war auch die Tatsache, dass nach unserer 10-monatigen Tour Timo Tolkki einfach keinen Bock mehr hatte, live zu spielen, dass ist natürlich schade. Es ging auch weniger ums Spielen als viel mehr um das Reisen und das Warten. Das soll nicht arrogant klingen, aber wir sind natürlich nicht Bon Jovi, der mal schnell mit dem Lear Jet zu den Konzerten einfliegt, bei uns läuft alles über Flughäfen, viele Busreisen, dazu kommen die Wartezeiten im Hotel, teilweise auch unprofessionelle Veranstalter und dann hast du irgendwann keinen Bock mehr. Auf der Bühne hatten wir immer Spaß, deswegen machen wir das ja auch. Wir waren aber an einem Punkt, an dem wir z. B. im Bus gesessen haben und uns nicht mehr viel zu sagen hatten. Wir haben normalerweise immer viel Spaß zusammen und sind auch alle Freunde geworden. Wenn du dann merkst, jeder kotzt nur noch ab, dann hat es auch keinen Sinn mehr. Nichtsdestotrotz war die Pause eigentlich keine richtige Pause, wir haben uns ständig Gedanken gemacht, wie wir Stratovarius musikalisch und organisatorisch weiter nach vorne bringen können. Wir haben die Homepage umgestaltet, dann kam noch die „Intermission“ Scheibe, das hat alles dazu beigetragen, dass wir auch wieder Freude haben. Wir sind jetzt auch schon wieder 4 Wochen auf Tour, der eine oder andere hatte auch schon einen Tourkoller aber es ist alles sehr professionell. Wir freuen uns, dass wir zum ersten Mal ne richtige Headlinershow mit eigener Produktion präsentieren können, dass war auch ein Traum von uns. Dann kommt noch das schöne Wetter dazu, wir sitzen in der Sonne und machen ein Interview, also ich fühl mich gut.

Du hast in der Pause ein Album mit Beto Vazquez namens „Infinity“ aufgenommen, bei dem auch Tarja (Nightwish), Sabine (Edenbridge) und Candice Night (Blackmore’s Night) mitgewirkt haben. War das eine einmalige Produktion oder wird es einen Nachfolger geben?

Stimmt, das wissen nicht viele. Da ich mich mit dem Produzenten der Scheibe, der auch zugleich Tarja’s Freund ist, etwas zerstritten habe, kann ich mir nicht vorstellen, dass ich noch mal gefragt werde, falls ein zweites Album kommt. Musikalisch wäre ich natürlich daran interessiert, weil ich es für eine tolle Sache halte. Es war auch für mich mal die Möglichkeit, etwas anderes zu machen, ich hab das unter dem Motto gesehen „Mike Oldfield goes Heavy Metal“. Die wollten zwar einen Metal Drummer haben, auch mit Base Drum, aber die Musik ist natürlich etwas ruhiger angelegt. Dazu kamen noch die super Stimmen, die das Projekt sehr eigenständig gemacht haben, mir hat das viel Spaß gemacht.

Ihr habt mit Symphony X einen hochwertigen Support, der euch begleitet. Habt ihr euch die ausgesucht?

Ja, dass war unsere Entscheidung.

Hast du es lieber, wenn gute Bands vor euch spielen? Es vertreten ja auch viele die Auffassung, den Support klein zu halten aus Angst, sie könnten einem die Show stehlen...

Einige Bands denken vielleicht so, aber bei uns gibt’s das nicht. Du kannst auch die Support Bands fragen, die werden hier vom Feinsten behandelt. Wenn sie noch nie auf Tour waren wie z. B. Thunder Stone werden das vielleicht noch nicht zu schätzen wissen, aber vielleicht sind sie irgendwann mal als Support von Manowar zu Gast, dann werden sie noch mal daran denken. Wir wollen den Leuten einfach ne gute Show präsentieren. Die bezahlen das Ticket, holen sich 3 Bier, vielleicht noch ein T-Shirt, da kommen schon mal 50 Euro zusammen. Dann gehen sie nach Hause und sagen sich: Eigentlich waren nur Stratovarius geil. Das ist nicht das, was wir anstreben. Wir wollen einen guten Abend haben. Natürlich müssen wir die Bands auch selbst hören, bringt mir ja nichts, wenn ich mir den größten Kack einlade. Thunder Stone sind Freunde der Band, kommen auch aus Finnland. Mit Symphony X haben wir vor einigen Jahren mal auf dem Rock Hard Festival zusammen gespielt. Wir sind alle Fans der Band, die Jungs sind in der Zwischenzeit auch populärer geworden, sonst wär’s vielleicht auch nicht Frage gekommen. Aber wir wollten wie damals mit Rhapsody auch ein starkes Package haben. Die erste Idee war sogar eine Tour mit Nightwish. Wir haben denen ein gutes Angebot gemacht. Sie hätten auch in den Ländern, in denen sie stärker ziehen wie z. B. in Deutschland als Headliner spielen können, in Südeuropa wären wir dann oben gewesen. Das hat aber zeitlich wegen Tarja nicht geklappt. Nightwish wollten letztes Jahr schon touren, wir unsere Pause machen, deswegen hat’s nicht hingehauen. Das Angebot war jetzt auch nicht so groß, als ob wir die freie Auswahl gehabt hätten. Symphony X hatten schon einige Shows gecancelt, der Manager hat sich komischerweise nie gemeldet. Ich habe Russell dann auf dem Star One Konzert getroffen und von da an, war es für mich auch klar, dass das klappt. Wir suchen uns unsere Supports schon selbst aus, wir arbeiten auch sehr aktiv am Management mit, was ich auch jeder anderen Band neben der Musik raten würde. Ansonsten wirst du nach Strich und Faden verarscht, dass ist leider so.

Seit Januar ist euer neues Album „Elements Part I“ erhältlich. Wo siehst du den Fortschritt im Vergleich zu „Infinite“?

Auf alle Fälle im Produktionsbudget. Ich glaube nicht, dass ein vorheriges Stratovarius Album einen derartig hochwertigen Sound hatte. Das Schlagzeug gehört für mich zu den besten 5 Scheiben, die jemals in diesem Bereich rausgekommen sind, dass sag ich mal mit einer gewissen Arroganz. Zum Anderen natürlich in der Orchestrierung, wir haben diesmal mit einem 46 Mann Orchester aufgenommen die Songs sind dadurch sehr episch, sehr symphonisch geworden mit sehr viel Bombast. Bei „Infinite“ hatten wir einen 12 Mann Orchester, dass eher begleitenden Charakter hatte, diesmal wirkt das Ganze wesentlich eigenständiger, fast wie ein sechstes Instrument in der Band. Darin sehe ich die Weiterentwicklung.

Hört sich fast schon wie Filmmusik an...

Ja richtig, die Tendenz ist sicherlich da.

Wie muss man sich die Arbeit mit einem 46 Mann Orchester vorstellen?

Wir arbeiten eigentlich nur mit einem Mann zusammen. Der hat die ganzen Sachen im Kopf und weiß, wie das Orchester instrumentiert wird und schreibt auch die ganzen Noten. Wenn dann alles erledigt ist, kommt das Orchester für einen Tag, bekommt die Noten und spielt das Ganze runter.

Hattet ihr nicht die Befürchtung, dass die Fans ähnlich wie bei Blind Guardian sagen, dass ist ihnen zu bombastisch?

Da darfst du dich nicht drum kümmern. Als Band musst du das machen, was du selber geil findest. Du machst die Platte, hörst dir es an und findest es gut, dann bist du zufrieden. Alles was danach kommt, kannst du eh nicht mehr entscheiden, weil du es nicht mehr in der Hand hast. Absichtlich etwas zu machen, von dem wir glauben, dass der Fan das mögen könnte, wäre der erste Spatenstich vom Grab. Es muss ehrlich sein und aus dem Herzen kommen. Ob es der Fan dann am Ende mag, ist natürlich immer noch nicht gesagt. Bands die z. B. sagen, Bon Jovi ist grad angesagt, ich mach mir auch so ne Frisur, spiel auch solche Songs und werd erfolgreich, warum schaffen die es nicht? Weil Bon Jovi mit dem Herzen dabei ist, weil es seine Musik ist. Mit Dieter Bohlen ist es genau das Gleiche. Wir finden das wahrscheinlich alle total kacke was der macht, aber es kommt aus dem Herzen, dass ist ehrlich. Der meint das so, so schlimm das ist. Wäre es nicht ehrlich, würde er auch nicht so viele Platten verkaufen.

Welcher Song hat euch die meiste Arbeit abverlangt?

Für mich war das ‚Elements’, der Song ist auch live unheimlich schwer zu spielen. Er muss unheimlich akkurat gespielt werden. Er ist nicht besondern schnell kommt aber unheimlich heavy rüber. Auf dem Album ist es natürlich auch so, dass durch den ganzen Bombast das Schlagzeug ein bisschen in den Hintergrund gedrängt worden ist, bei ‚Soul Of A Vagabond’ sind die Drums mit Abstand das lauteste Instrument. ‚Elements’ ist auch unheimlich schwer zu mischen weil bei diesem Stück sehr viel abgeht. Wie gesagt, es ist unheimlich schwer zu spielen, ich kann dir auch nicht genau sagen, warum. ‚Soul Of A Vagabond’ ist z. B. ganz easy, der klappt immer.

Stimmt es, dass ihr schon am Schreiben seid für „Elements Part II“?

Das ist schon fertig. „Elements Part I“ und „II“ hat in dem Sinne auch nichts mit einem Konzept zu tun. Es war einfach so, dass wir in die Sessions reingegangen sind wie bei „Visions“ und „Destiny“ und am Ende standen 2 ½ Stunden Musik. Wir wollten zuerst ein Solo Album veröffentlichen, haben das aber aus kommerziellen Gründen sein lassen. Wir wollten das Doppelalbum zum Preis für ein Album rausbringen, wäre natürlich für die Fans ne Riesensache gewesen. Nur, wenn wir es als Single Album abgeben, wird es der Laden trotzdem zum doppelten Preis verkaufen. Die Fans wären dann wieder die Doofen gewesen. Wir hätten es natürlich auch wie Metallica machen können mit der „Load“ und „Reload“ Scheibe oder wie Guns’n’Roses, die zwei Alben auf einmal rausgebracht haben. Wir sind aber immer noch eine Independent Band. Es kommen jeden Monat ca. 50 Alben auf den Markt, da möchte ich es keinem zumuten, die Single zu kaufen, beide Alben und vielleicht noch die Special Version, die von der Plattenfirma rausgebracht wird. Deswegen haben wir gesagt, „Elements Part I“ kommt vor der Tour und „Elements Part II“ danach. Es ist die dieselbe Session, nur mit anderen Songs.

Würdest du selbst sagen, dass du bei Stratovarius mit den besten Musikern deine Karriere zusammen arbeitest?

Ja, wobei ich auch in einigen anderen Bands mit sehr guten Musikern zusammen spielen durfte. Rolf Kasparek von Running Wild ist mit Sicherheit einer der besten Rhythmusgitarristen der Welt, was der drauf hat, ist schon geil. Es gibt auch einige Unikate wie Chris Boltendahl von Grave Digger, der ne Stimme hat wie kein anderer. Ich weiß nicht, ob man das singen können nennen kann, es macht aber auch Spaß. Von der Band her ist es qualitativ die Beste. Total unterschätzt ist unser Bassist, meiner Meinung nach der beste Heavy Metal Bassist der Welt, Timo Tolkki steht für sich alleine, zu Jens Johansson muss man nicht mehr viel sagen, der hat auch vorher schon bewiesen was er kann. Timo Kotipelto ist auch ein herausragender Sänger, es gibt nicht viele, die das noch besser können. Da musst du natürlich auch selber immer wieder ne Top Leistung bringen, damit du auch fühlst, dass du noch hierhin gehörst. Das ist jedes mal wieder eine Herausforderung.

Im Nachhinein, wie beurteilst du deine Zeit bei...Rage

Du kannst immer nur das erreichen mit dem, was du auch vorher gemacht hast. Wenn AC/DC das erste Nr. 1 Album mit „Back In Black“ geschafft haben, heißt das ja nicht, dass sie das ohne die vorherigen Alben auch hingekriegt hätten. Genauso ist auch meine Zeit bei Rage zu sehen. Es war wichtig für mich zu lernen, vor allem auch zu lernen, was ich nicht will.

...Axel Rudi Pell

Axel Rudi Pell war total geil, dass ist ein ganz spontaner Typ, ein netter sympathischer Mensch. Er hat auch nie so viel rumprobiert und experimentiert. Kennst du den Begriff Try To Hard? Das bedeutet, dass man etwas zu besessen probiert, ist vor allem in Deutschland bei den Musikern stark verbreitet. Axel war da immer ganz locker, wir haben die Alben aufgenommen und es war OK. Er ist immer noch ein guter Bekannter, es hat mir sehr viel Spaß gemacht und auch ein bisschen Leid getan, dass ich das nicht mehr weiter machen konnte.

...Running Wild

Sicherlich die Band, die aus mir erst einen Profi gemacht hat. Running Wild war bis dato auch die größte Band, in der ich gespielt habe. Leider hat Rolf irgendwann aufgehört, viel live zu spielen, dass hat mir persönlich nicht so gepasst. Aber da konnte ich auch nicht viel machen, letztlich ist Rock’n’Rolf die Band. Bei Stratovarius ist es auch der Timo Tolkki, aber wir diskutieren auch in der ganzen Band zusammen. Es wäre ja auch blöd, wenn der Tolkki sich nicht ne Meinung von mir oder vom Jens Johansson einholen würde, da sprechen immerhin um die 45 Jahre Erfahrung mit. Aber natürlich muss auch einer die Entscheidungen sprechen, wenn du immer versuchst, es allen Recht zu machen, diskutierst du dich auch zu Tode. Aber ich habe Rock’n’Rolf auch viel zu verdanken und bin auch immer super mit ihm klar gekommen.

Was sagst du zu Angelo Sasso?

Kein Kommentar.

Hast du noch Kontakt zu deinen früheren Bands?

Zu Axel auf jeden Fall, aber generell ist es weniger geworden. Den Rolf hab ich mal im Flugzeug getroffen als wir zum Schweden Rock geflogen sind. Den Peavy seh ich ab und zu, weil wir das gleiche Management haben. Ich bin aber auch nicht mehr so viel unterwegs, der Kontakt zu anderen Musikern hat sich dadurch auch gelegt. Mit Tobias von Edguy hab ich mal telefoniert, die wollen eventuell unsere Finnland Tour supporten, Zu Alex Beyrodt von Silent Force hab ich auch einen guten Draht, ab und zu Mike Terrana, er wohnt ja auch in Dortmund wo ich herkomme. Früher war ich mehr in der Szene drin aber das liegt auch am Alter. Ich habe jetzt eine Familie, eine kleine Tochter, da wird man etwas ruhiger.

Gibt es jemanden in der Szene, mit du gerne einmal ein Projekt machen würdest?

Ich hätte gern mal ein Konzert oder ne Platte mit Ozzy Osbourne gespielt weil er immer für das traditionelle Metal Riffing stand auf das ich stehe wie z. B. ‚Mark At The Moon’ oder ‚Rock’n’Roll Rebel’, dass ist ein einfach ultimatives Riffing.

Wie kann man es schaffen, als Band 20 Jahre zu existieren und nicht immer gleich zu klingen?

Das ist fast unmöglich ha ha. Du musst dich natürlich immer weiter entwickeln und das Geheimnis heißt ganz einfach: Neue Songs. Man muss ja nicht immer die gleichen Songs auf den Platten veröffentlichen, man kann sie ja zumindest anders benennen so wie AC/DC das machen.

Deine Top 5 Alben zur Zeit?

Im Moment höre ich die Best Of von Roxette, Judas Priest „Screaming For Vengeance“, dann natürlich „Elements Part II“ ha ha. „Elements Part I“ hab ich schon so oft gehört. Was ich momentan ganz stark finde ist Danko Jones „Born A Lion“, dass ist ein Kanadier, der so ein bisschen AC/DC angehauchte Mucke spielt. Ich hab ihn in Helsinki gesehen, dort hat er vor 300 Leuten gespielt, aber der Laden hat gebrodelt, also von dem wird man noch hören. ‚Momentary Lapse Of Reason’ von Pink Floyd ist die fünfte Scheibe. Das sind auch alles die Sachen, die ich auf dem Laptop habe, von daher hab ich auch nicht so viel Auswahl ha ha.

Oliver Bender