6 Jahre zwischen 2 Alben, dass sind fast schon Manowar Verhältnisse. Nun präsentieren Anguish endlich ihr zweites Werk „Symmetry“, das restlos überzeugt und auch einen stilistischen Wandel der Band offenbart. Ein sehr auskunftsfreudiger Nuno Fernandes war so freundlich, mir einige Fragen zu beantworten....
Für all diejenigen, die euch noch nicht kennen: Erzähl doch mal ein bisschen was über die Bandgründung, woher kennt ihr euch und welche Rolle spielte der Gewinn des Nachwuchspreises Rhein Neckar für euch?
Die Band hieß ursprünglich Metal Age und hat unter diesem Namen auch den besagten Nachwuchspreis gewonnen. Vom Line-Up sind jedoch nur noch die Gitarristen übrig geblieben, deswegen gab es danach ein paar Umstrukturierungsmaßnahmen. Kurz vor unserer ersten Platte bin ich dazugekommen, ein wenig später dann unsere Keyboarderin Marion, dass war 1995. Wir haben daraufhin unser erstes Album "Loft Days Of Infancy" aufgenommen, waren aber damals mit unserem Label D & S Records nicht allzu glücklich. Wir konnten zwar Studioerfahrung sammeln aber wenn man sich auch noch an den Produktion beteiligen muss, macht dass nicht gerade einen seriösen Eindruck. Das Verhältnis wurde eigentlich immer schlechter, obwohl wir fast ausnahmslos gute Kritiken bekamen. Hinzu kam natürlich noch, dass der Metal zur damaligen Zeit nicht gerade auf einer Wolke schwebte, von daher war das auch von uns scheiße getimt, ha ha. Die Konzerte waren auch nicht gut besucht, sodass wir teilweise vor nur 20 Leuten gespielt haben. Da macht sich natürlich auch Frustration breit, unsere komplette Rhythmussektion hat die Band letztlich verlassen. 1999 haben wir den Vertrag mit dem Label aufgelöst und auch wieder 2 neue Leute dazubekommen. In der Folgezeit haben wir sehr viel live gespielt, waren z. B. mit U.D.O. und Uriah Heep unterwegs und sind von denen auch gut behandelt worden. Im Jahr 2000 waren schon die ersten Songs für das neue Album geschrieben, Gerd (g) und ich haben dann die Vorproduktion übernommen. Dabei haben wir auch Andy Horn kennen gelernt, mit dem wir 2001 die Endproduktion gemacht haben. Schlussendlich haben wir es doch noch geschafft, nach 5 Jahren dass zweite Album rauszubringen.
Warum habt ihr euren alten Namen Metal Age nicht beibehalten?
Das lag hauptsächlich daran, dass keiner aus der Band zu Metal Age noch einen richtigen Bezug hat, da auch die Besetzung mittlerweile eine andere ist.
Wie seid ihr auf Anguish gekommen?
Hab mir schon gedacht, dass die Frage kommen könnte...Ich persönlich finde den Namen Metal Age arg klischeehaft, ich möchte lieber etwas Eigenständiges haben, da passt Angusih besser. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass ich z. B. etwas gegen den Metal der 80er habe, ganz im Gegenteil. Ich finde es einfach nur schade, wenn man frühere Sachen 1:1 kopiert. Manowar sind momentan das beste Beispiel und stehen damit auch ganz oben in den Charts. Im Prinzip soll jeder das machen, worauf er Bock hat aber ich denke, die Leute haben ein Gespür dafür, ob etwas von Herzen kommt oder nicht. Die merken ziemlich schnell, wenn etwas nicht stimmt, von daher sollte man nicht den Fehler machen, die Leute für doof zu halten. Da passt auch die momentane Diskussion mit dem True Metal rein, was bitteschön soll das denn sein? Jeder hat seine eigene Vorstellung davon, wie seine Musik klingen soll. Wir haben nun mal unseren Stil und sind auch davon überzeugt, dass kann man genauso gut als True Metal bezeichnen.
Du hast ja schon angesprochen, dass ihr mit eurem alten Label Probleme hattet. War das mit ein Grund dafür, warum ihr mit eurem zweiten Album so lange gewartet habt?
Der Vertrag war mit Sicherheit ein Problem. Wenn man in das Business reinkommt, ist man vielleicht auch etwas euphorisch und guckt nicht so genau, was man da eigentlich unterschreibt. Wir hatten zwar schon Songs für ein zweites Album geschrieben, hätten die dann aber auch bei D & S Records veröffentlichen müssen, was wir auf Grund der Probleme nicht wollten. Das war eine harte Zeit damals, in der wir uns auch überlegt haben, die Band aufzulösen. Hinzu kam noch wie erwähnt, dass es schon enttäuschend ist, vor 20 Leuten zu spielen. Mittlerweile haben wir uns einen relativ großen Anhang aufbauen können, auch sehr viele junge Metaller gehören dazu. Es ist für einen Musiker natürlich einfacher, vor vielen Leuten zu spielen. Ich hab es auch schon erlebt, dass 10 Leute mehr Stimmung gemacht haben als 100, dass kommt auch vor. Generell sind wir über jeden froh, dem unsere Platte gefällt, denn wir haben auch die Negativseiten des Geschäfts kennen gelernt. Deswegen werden wir auch bestimmt nicht abheben, wenn das Album jetzt ein Erfolg werden sollte, wir wissen das ganz gut einzuschätzen.
Ihr wart mit prominenten Acts wie Uriah Heep oder Primal Fear auf Tour. Welche Erfahrungen habt ihr mitgenommen?
Während der vielen Gigs hab ich einfach gemerkt, dass das meine große Leidenschaft ist. Leidenschaft deshalb, weil wir ja alle noch nebenbei berufstätig sind. Beeindruckend waren auf alle Fälle Uriah Heep und Nazareth, weil sie trotz ihres großen Erfolges ganz normal geblieben sind. Natürlich haben wir auch schlechte Erfahrungen gemacht. Kommt schon mal vor, dass man keinen Soundcheck machen darf und auch kein Licht bekommt. Das ist meistens bei Bands der Fall, die selber nur in der Mittelklasse spielen, aber wenn sie meinen, dass sie das machen müssen, bitteschön. So was gehört wohl auch dazu.
Haben euch diese Live-Erfahrungen in Bezug auf das Songwriting für das neue Album weitergebracht?
Da hab ich mir noch nie drüber Gedanken gemacht. Studio und Bühne sind natürlich zwei verschiedene Stiefel. Uns wurde schon von vielen Leuten gesagt, dass wir live viel härter rüberkommen würden als auf dem Album. Da wiederum ist uns schon angekreidet worden, wir wären zu keyboardlastig. Das haben wir sogar noch runtergefahren, unser Produzent wollte noch mehr Keyboard Einflüsse. Auf der Bühne hast du einfach ein ganz anderes Feeling, während im Studio viel mehr auf die Details geachtet wird, viele Dinge fallen dir z. B. im Proberaum gar nicht auf. Von daher ist dieser Übergang vielleicht eher unterbewusst.
Ihr habt im Frühjahr 2001 mit den Arbeiten zu "Symmetry" angefangen, jetzt erscheint die Platte. Gab es Probleme bei den Aufnahmen oder seid ihr alle Perfektionisten?
Probleme gab es eigentlich keine, aber Perfektionisten sind wir auf jeden Fall. Wir haben sehr viel im Studio gearbeitet und wollten ursprünglich auch die gesamte Platte selbst produzieren. Das Problem hierbei ist jedoch, dass du kein Gefühl mehr dafür hast, was gut klingt und was nicht, man kann das gar nicht mehr beurteilen. Den Song ,N.E.W.’ z. B. kann ich mittlerweile nicht mehr hören, weil wir an dem sehr viel probiert haben und ihn bestimmt einige hundert mal gehört haben. Da wurde viel experimentiert, mal die Basssounds rausgenommen, mal die Gitarrensounds usw. Wir hatten auch eine Phase, in der wir einen Monat lang nichts gemacht haben. Nachdem die Songs standen, ging der weitere Ablauf relativ flüssig und ohne weitere Probleme von statten.
Waren die Bedingungen mit eurem neuen Label im Rücken und mit Andy Horn als Produzent professioneller als beim Debüt?
Auf jeden Fall. Wir waren schon ein gebranntes Kind und wegen der früheren Vorfälle auch etwas skeptisch. Wir machen auch alle schon etwas länger Musik und haben auch sehr viel darin investiert. Deswegen hatten wir so unsere Bedenken, ob Massacre auch genug für uns macht. Aber wir sind momentan sehr zufrieden. Das Label war vor allem sehr ehrlich mit uns und hat uns auch seine Vorstellungen unterbreitet. Wir sind in allen größeren Magazinen vertreten und haben das gleiche Standing wie z.B. Metalium, die ja schon etwas länger dabei sind. Ich denke mal, dass die PR auch etwas zunehmen wird, wenn das Album erfolgreich ist.
Im Vergleich zum Vorgänger: Wie ordnest du "Symmetry" ein?
Der größte Unterschied besteht im Songwriting. Das erste Album war sehr straight und hatte ein typisches Strickmuster: Intro, Strophe, Refrain, Strophe Refrain usw. "Symmetry" ist deutlich experimenteller, wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, bestimmte Spannungsbögen aufzubauen und arbeiten auch mit eher untypischeren Mittel wie Samples. Der Sound kommt einfach druckvoller und moderner rüber. Zudem konnte ich bei den Texten mehr machen, da beim ersten Album die Lyrics schon fertig waren und ich sie nur noch einzusingen brauchte. Hinzu kommt natürlich auch, dass wir uns in den 5 Jahren weiterentwickelt haben, wäre ja auch schlimm wenn nicht.
Die Keyboards sind in jedem Stück unheimlich präsent. Schreibt Marion auch an den Songs mit?
Generell ist das Songwriting Sache der ganzen Band. Ich bin auch der Meinung, wenn jemand gut Keybaord spielen kann, wäre es schade, die Keys nur als Begleitinstrument abzutun, dann sollte man das auch ausnutzen. Da ich selbst sehr viele Instrumente spiele, mache ich auch viel bei den Arrangements, d.h. wenn jemand einen Vorschlag macht, kann ich ihm auch zeigen, wie ich mir das vorstelle. Wenn jetzt natürlich ein Keyboardsolo ansteht, macht die Marion das allein.
Ihr habt unheimlich viele Elemente in euerer Musik, von klassischen bis zu harten Passagen. Wollt ihr so flexibel wie möglich sein oder resultiert das aus den musikalischen Vorlieben der Bandmitglieder?
Vorgaben gibt es dafür keine, dass entwickelt sich einfach. Ich bin letztens gefragt worden, ob wir dieses mal mehr Ballladen machen werden, weil wir auf dem ersten Album auch eine geschrieben haben. Das sehen wir dann erst, wenn wir an dem Song arbeiten, planen kann man so etwas nicht. Wir sagen nicht von vorneherein: 2 Balladen, 2 epische Stücke und 3 schnelle Songs müssen dabei sein. Ein ruhiger Song kann sich auch ganz anders entwickeln, dass hängt auch immer von den jeweiligen Ideen der einzelnen Personen ab.
Seid ihr in dieser Hinsicht von anderen Prog Bands beeinflusst worden?
Jeder hat natürlich seine persönlichen Faves. Ich finde, dass Wort Einfluß wird oftmals falsch verstanden. Nur weil ich von jemanden beeinflusst worden bin, heißt das noch lange nicht, dass wir auch so klingen müssen. Ich würde z. B. sagen, dass ich von Dream Theater beeinflusst wurde, obwohl ich mir niemals anmaßen würde zu sagen, wir klingen wie die. Die Jungs spielen schon in einer eigenen Liga. Weitere Bands wären hierbei auf jeden Fall Fates Warning, Queensryche, Maiden, Accept etc. Unser Gitarrist Gerd ist schon ein richtiger Accept Freak. Ich höre aber auch neuere Sachen wie Nevermore. Die Band an sich ist recht unterschiedlich in ihren Faves gegliedert.
Wenn dich jemand fragt, was Anguish von anderen Prog Bands unterscheidet, was würdest du ihm antworten?
Wir sind eine Band, die nicht so sehr auf diese Frickeparts wie einige andere setzt. Bei einigen Prog Bands bekommt man teilweise den Eindruck, deren Musik wäre ne Art Hochleistungssport. Wir betreiben in diesem Sinne kein „Highspeed Shredding“, dass würde auch nicht zu uns passen. Die Melodie steht bei Anguish eindeutig im Vordergrund. Wer uns hasst, soll uns mal live sehen, denn wir probieren auch auf der Bühne immer wieder neue Sachen aus, ist doch auch langweilig, wenn sich alles wie auf dem Album anhört.
Gibt es einen Song auf dem Album, der für dich eine besondere Bedeutung hat?
'Fear The Rain' hat für mich eine ganz persönliche Bedeutung. Ich habe mein Leben voll und ganz auf die Musik ausgerichtet, sowohl finanziell als auch emotional und auch Phasen mitgemacht, in denen es nicht so gut lief. Da fragt man sich natürlich schon einmal, wofür macht die Scheiße überhaupt? Ich habe damals viele Gedichte geschrieben, der Song ist praktisch eine Adaption auf eines der Gedichte, eine Art Selbstfindung. Es geht darum, Depressionen mit Hilfe der Musik zu verarbeiten. Es erlebt ja jeder selbst, dass man im alltäglichen Leben Dinge tun muss, die einem nicht so gefallen, obwohl man seine Zeit viel sinnvoller nutzen könnte. Wenn man so will, lasse ich bei diesem Song praktisch die Hosen runter.
Hast du bei diesem Stück besondere Anforderungen an die Band gestellt, weil es für dich persönlich sehr wichtig war?
Ich bin im Allgemeinen sehr streng, dass hat nichts mit diesem Song zu tun. Wir versuchen immer, dass Optimale herauszuholen, da werden hier und da Verbesserungen gemacht. Da achte ich schon sehr darauf.
Eure Musik spricht auch Leute an, die mit Metal nicht so viel am Hut haben. Wollt ihr bewusst auch diese Zielgruppe ansprechen?
Das ist uns eigentlich egal. Ich glaube, den typischen Einheitsbrei, mit dem jeder leben kann, kann man sowieso nicht machen. Aber ich habe das auch schon mitbekommen, dass sowohl die Nicht Metaller als auch diejenigen, die härtete Bands hören, unser Album gefällt. Natürlich fallen sie uns nicht um den Hals, aber es kommt ganz gut was uns natürlich auch sehr freut. Trotz alledem sind wir eine Metalband, die immer wieder auch neue Sachen ausprobiert, was ich auch sehr wichtig finde.
Zu dir persönlich: Hast du eine Gesangsausbildung?
Ich nehme seit ein paar Jahren mit Unterbrechung Unterricht. Ich habe auch klassischen Gesang gelernt, was für die Grundlagen super war, bin dann aber vorsichtiger geworden, da ich mich nicht auf eine bestimmte Ecke festlegen wollte, ich möchte auch andere Stile wie z. B. Soul singen können. Ich trainiere momentan mit einer Rockmusikerin und versuche, meine Stimme möglichst vielschichtig auszubilden.
War es schon immer dein Ziel, in einer Metalband zu spielen?
Eigentlich schon. Ich hab mit der Gitarre angefangen und bin dann zum Gesang gekommen. Ich finde es immer witzig, dass einige nur Sänger geworden sind, damit sie von den Mädels angehimmelt werden, mir persönlich ist das nicht so wichtig, ich bin Musiker aus Leidenschaft. Wenn ich von der Bühne komme, frage ich mich, ob meine Stimme gut war, der Sound gut rübergekommen ist. In der Beziehung finde ich auch Kritik ganz wichtig. Ich höre dann jemanden mehr zu, dem etwas nicht so gut gefallen hat, als wenn einer behauptet, es wäre alles super gewesen. Es gab auch noch kein Konzert, bei dem ich sagen würde, dass war absolut perfekt. Meine Lehrerin meint schon, mein Hang zum Perfektionismus wäre krank ha ha. Ich finde es aber nicht verkehrt; auf der einen Seite zieht es Dich zwar runter, treibt dich aber auch an, weil du beweisen willst, dass du es besser kannst.
Stehen schon Pläne für eine Tour an?
Momentan ist noch nichts geplant. Wir warten erst mal ab. Wir hoffen, vielleicht ne Tour im Herbst machen zu können, dass hängt dann aber auch von den Verkaufszahlen des Albums ab. Wir werden aber auf jeden Fall am 19.10.02 in Schönau einen Gig geben, der hauptsächlich zur Vorstellung des neuen Albums dient.
In eurem Gästebuch hat ein stiller Verehrer nachgefragt, wann es Aktfotos von dir zu sehen gibt. Wie ist denn der Stand der Dinge?
Das war ein Studienkollege von mir, den hab ich schon gestellt. Fest steht, ich habe keine Angebote von irgendwelchen Frauenmagazinen und werde in dieser Richtung auch nichts machen.
Zum Schluss noch deine Message an die Fans:
Ich möchte mich ganz herzlich bei unseren engsten Fans und den vielen Helping Hands bedanken, die ohne einen Cent zu bekommen, für uns Kisten geschleppt und beim Aufbauen geholfen haben. Wenn es gut läuft hast du viele Freunde, dass klingt zwar abgedroschen ist aber so. Deswegen gebührt unser Dank denen, die auch in schlechten Zeiten immer zu uns gehalten haben!
Oliver Bender