Stories

April 2002

Victor Smolski, Ausnahme-Gitarrist von Rage stellte sich unseren Fragen zur neuen Scheibe "Unity"...

Du bezeichnest „Unity“ als das beste und härteste Album, das du jemals aufgenommen hast. Klingt ja richtig euphorisch...

Es passt einfach alles 100%-tig zusammen. Wir haben schon nach unserer letzten Tour angefangen, die Songs zu schreiben. Der Sound ist einfach viel härter und direkter, diesmal gibt’s auch keine Samples bei den Drums. Unser Produzent Charlie Bauernfeind hat in stilistischer Hinsicht auch entscheidend mitgewirkt. Alles hat super funktioniert und wir sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis.

Du hast dir während den Aufnahmen eine Handverletzung zugezogen. Hat euch das zeitlich weit zurückgeworfen?

Ja, dass war ein bisschen blöd, weil es gleich am ersten Tag passiert ist. Ich hab trotzdem noch die Gitarren aus dem Van geholt und durch die Gegend geschleppt. Im Endeffekt konnte ich eine Woche keine Gitarre spielen, aber allzu weit zurück geworfen hat uns das nicht.

Das Cover Artwork stammt von Joachim Luetke und geht wieder in die aggressivere Richtung vergangener Tage. Habt ihr ihm dabei frei Hand gelassen oder hat er strikt nach euren Vorgaben gearbeitet?

Wir sind extra zu ihm nach Wien gefahren und haben uns dort lange mit ihm unterhalten, was die Gestaltung für „Unity“ angeht. Er hat ja damals auch das Cover für „Perfect Man“ entworfen, also haben wir gesagt, warum gehen wir nicht zurück? Das Logo für „Welcome To The Other Side“ hat auch sehr viel Platz weggenommen, deswegen wollten wir was anderes haben. Es kamen sehr viele Vorschläge zusammen, dass Resultat finde ich phantastisch. Vor allem das Booklet passt sehr gut zur Musik.

Im Vergleich zu den letzten beiden Alben „Ghost“ und „Welcome To The Other Side“, wo würdest du „Unity“ einordnen?

Als „Ghost“ aufgenommen wurde, existierte unsere Besetzung ja noch nicht wirklich. Das Album stellt ehrlich gesagt auch nicht meine Musik dar. „Welcome To The Other Side“ war die erste Platte, bei der wir als Band richtig zusammen waren und auch viel experimentieren konnten, was das Arrangement angeht. Mittlerweile sind wir 3 Jahre zusammen und harmonieren musikalisch sehr gut untereinander. Wir wollten auch ein Album machen, dass man live besser umsetzen kann als z. B. „Ghost“. „Unity“ ist eine Mischung aus aggressivem Sound und sehr viel Energie. Da gibt es keine Zeit zum Relaxen. Deswegen haben wir auch die Balladen weggelassen, Peavy hatte zwar eine geschrieben, dass hätte aber dann insgesamt nicht mehr gepasst.

Ich nenn dir mal 3 Songs und du sagst mir, was dir dazu einfällt. Der erste ist ‚Down’

Down ist einer meiner Lieblingsstücke auf dem neuen Album. Wir werden zu diesem Song auch ein Video aufnehmen. Ich denke, dass es nicht der typische Heavy Metal Song ist, sondern eher eine kraftvolle Midtemponummer, die auch Leute ansprechen könnte, die mit Metal nicht so viel am Hut haben. Auf jeden Fall ist der Song keinesfalls so extrem, als das er nicht auch Rockfans gefallen würde.

…,Dies Irae’

Das ist ein besonderer Song für mich ähnlich wie ,Straight To Hell’. Ich war in Minsk mit der Komposition einer Filmmusik beschäftigt. Als ich den Chor hörte, kam mir sofort der Gedanke: Ich muss einen Song für Rage schreiben. Es war nicht ganz einfach, hinzu kommt auch noch die lateinische Sprache, aber es hat ganz gut geklappt. Wir haben den Song auch auf der Musikmesse in Frankfurt gespielt und jeder hat mir bestätigt, dass dieses Stück live richtig knallt. Der Aufwand war natürlich auch entsprechend. In Deutschland so einen Song zu produzieren, wäre viel zu teuer. Deswegen habe ich meine Kontakte zu meiner Heimat genutzt, weil dort die Arbeitsbedingungen für eine solche Produktion einfach besser sind. Viele Studios sind für Klassikaufnahmen konzipiert, sodass man dann auch mit einem Pulk von 40 Leuten arbeiten kann.

…‚Unity’

Das ist er einzigste Song des Albums, der sehr progressiv ist, ich kenne keine Metalband, die schon mal irgendwas in dieser Richtung gemacht hat. Ich finde vor allem den Titel ziemlich geil, weil er auch demonstriert, dass wir kein Projekt sind, sondern eine richtige Band, die zusammen auch viel Spaß hat, eine Einheit eben. Der Song besteht aus sehr vielen komplizierten Riffs, jedes Instrument ist wichtig und jeder von uns zeigt auch irgendwo, was er mit seinem Instrument drauf hat. Ich denke, dass der Song auch für Live Shows sehr gut geeignet ist. Man überlegt dann immer, wenn Mike z. B. ein Drum solo spielt oder ich ein Gitarren solo, wo man das einbauen soll. Manche fragen sich dann, was das soll, weil sie die Performance nicht kennen. Aber stell dir mal vor, ich sage zu Mike, der seit 30 Jahren 8 Stunden täglich übt, er soll keine Soli mehr spielen, dann kannst du dir ja denken, wie der sich fühlt. In diesem Stück kann sich jeder auch ein bisschen selbst verwirklichen, deshalb haben wir ihn gemacht und werden das Stück mit Sicherheit auch auf unserer Tour präsentieren.

Stammt der Song von dir oder waren Peavy und Mike auch daran beteiligt?

Den Song habe ich geschrieben, aber generell machen wir das Arrangement immer zusammen. Wir treffen uns dann im Studio und besprechen alles, wobei sich jeder dann auch einbringt.

Mit Hansi Kürsch und D. C. Cooper sind zwei prominente Gastsänger dabei. Wie kam’s dazu?

Mit D. C. Cooper arbeite ich schön länger zusammen, habe auch den Gesang auf der letzten Silent Force Platte produziert. Er hat eine sehr interessante Stimme, breite Lagen und kann sehr viele Anregungen schnell umsetzen. Hansi ist ebenfalls ein guter Freund von uns. Wir wollten sowieso für die Songs unterschiedliche Stimmen bei den Backgroundvocals haben, damit das Ganze einen bombastischeren Effet bekommt. Es hat auch zeitlich super gepasst und allen sehr viel Spaß gemacht, sodass ein eine Art familiäre Atmosphäre herrschte.

Ihr habt einige Songs auch schon auf der Musikmesse in Frankfurt vorgestellt, wo nicht nur Metalfans anwesend waren, trotzdem war eine klasse Stimmung in der Festhalle. Wie hast du es empfunden?

Ich denke, da spielt auch unsere Besetzung mit eine Rolle. Wir kommen alle von unterschiedlichen Kontinenten, aus verschiedenen (Musik) Kulturen, dadurch locken wir vielleicht auch mehr Leute an. Zudem sind wir viel unterwegs, lernen viele Leute kennen. Ich persönlich bin immer daran interessiert, wie Musik umgesetzt wird, von daher war Frankfurt eine interessante Veranstaltung. Was die Show angeht, haben wir natürlich auch mit ‚Dies Irae’ und ‚Higher Than The Sky’ Songs gespielt, die auch Fans anderer Musikrichtungen ansprechen. Hinzu kommt natürlich auch, dass Peavy schon sehr viel Erfahrung mit Livegigs hat und es immer wieder versteht, die Leute förmlich mitzureißen.

Peavy ist von den Gründungsmitgliedern als einziger noch übrig geblieben und du hast auch einen nicht unwesentlichen Teil zum letzten Album beigetragen. Wie organisiert ihr das Songwriting, gibt es ab und zu Reibereien?

Ich verstehe gar nicht, warum jeder denkt, Peavy hätte die früheren Bandmitglieder unterdrückt, und seine eigenen Ideen umgesetzt. Bei uns kann sich jeder einbringen, wir diskutieren die Vorschläge, was gut ist wird genommen. Natürlich macht der eine mehr oder weniger. Mike z. B. hält sich größtenteils aus dem Songwriting raus und beschäftigt sich dafür mehr mit den Arrangements.

Euer Best Of Album, welches unter dem alten Label Gun veröffentlicht wurde, ist nicht von euch autorisiert. Was ist der Hintergrund?

Die Sache mit Gun ist schon sehr komisch abgelaufen. Wir hatten ein Best Of Album geplant, da sollten auch neuere Sachen von uns mit drauf. Wir hatten auch schon eine Auswahl getroffen, Peavy hatte noch einige Ideen. Doch nachdem wir den neuen Vertrag nicht unterschrieben haben, wurden unsere Ideen völlig über Bord geworfen und bei der weiteren Planung nicht mehr berücksichtigt. Die Entscheidungen wurden für diese Platte wurden ohne unser Einverständnis getroffen, deswegen haben wir das auch auf unserer Homepage zum Ausdruck gebracht. Ich persönlich finde das ein bisschen Schade, denn ich habe einen Riesenrespekt vor den Fans. Ohne die geht nix, deswegen versuchen wir auch immer unser Bestes zu geben. Aber an diesen Sache konnten wir nichts machen, U.D.O. und Grave Digger ist es ja auch so ergangen, die sind bestimmt auch nicht zufrieden damit. Die Veröffentlichung hat auch zeitlich überhaupt nicht gepasst, von daher hat das Ganze viele Probleme mit sich gebracht und ist schon sehr merkwürdig abgelaufen.

Dein Vater ist einer der führenden russischen Komponisten. Wie viel Anteil hat er an deinem musikalischen Werdegang?

Er war ein großer Lehrer für mich. Er hat mir nicht nur theoretisch alles erklärt, sondern auch dafür gesorgt, dass ich mir alles vor Ort anschauen konnte. Ich habe mit sechs Jahren mit dem Studium angefangen. Mein Vater hat das Ganze einfach interessant gemacht, indem er mich nicht nur z. B. mit auf Konzerte genommen hat, sondern ich mir auch den Backstagebereich oder die Bühne anschauen konnte. Das hat mir damals schon viel Spaß gemacht. Obwohl er ein progressiver Komponist ist, war er nicht enttäuscht, dass ich in den Metalbereich wollte. Er sagte mir, wichtig wäre nicht, was ich mache, sondern wie ich es mache. Wenn wir im Proberaum sind, spiel ich manchmal auch gern klassische Sachen oder Jazz Stücke, aber Metal ist die Musik, die von der Energie her am Besten zu mir passt.

Wie bist du überhaupt zum Metal gekommen, dass ja doch ein ziemlicher Gegensatz zur Klassik ist?

Ich denke mal durch meinen Bruder. Er ist auch klassischer Pianist, hat sich aber auch immer die neusten Sachen von Bands wie Led Zeppelin oder AC/DC besorgt. Die waren damals bei uns schwer zu kriegen, er hatte aber eine Freundin in Amerika, die dann in Abständen immer Päckchen zu ihm geschickt hat. Wir haben uns das dann immer lautstark angehört.

Wie sieht es mit deiner Solokarriere aus, planst du ein drittes Album?

Ja, ich hoffe, dass ich vor den Festivals die Zeit dazu finden werde. Es wird ein reines Instrumentalalbum, keine Horrorgeschichte wie das letzte Mal.

Du nimmst am 27. und 28. April an einem Autorennen in Belgien teil, hast auch eine Motorsport Kategorie auf deiner Homepage. Ist das deine große Leidenschaft?

Das ist pure Entspannung. Ich habe auch noch meine eigene Musikschule, produziere sehr viel im Studio. Wenn du 24 Stunden am Tag nichts anderes als Musik im Kopf hast, musst du noch was anderes machen. Ich habe dann auf der Rallye Schule meine Lizenz gemacht, bin letztes Jahr Tourenwagen gefahren und war gar nicht so schlecht (einmal 2., einmal 5.), dass hätte ich selbst nicht erwartet. Für dieses Jahr habe ich für beide Serien zwei Autos zur Verfügung. Am Wochenende fahre ich in Belgien, um mich herum nur Leute, die seit 20 Jahren im Geschäft sind, dass wird hart und danach geht´s zu den 24 Stunden vom Nürburgring. Ich hab auch schon einen bösen Unfall gehabt, mich komplett überschlagen. Da war wohl noch zu viel Wodka im Blut ha ha.

Hättest du dir auch vorstellen können, eine Karriere als Rennfahrer zu starten?

Die Musik steht an erster Stelle, da kommt nichts davor. Natürlich hätte ich im Rennsport mehr erreichen können, wenn ich früher angefangen hätte. Aber der Spaß steht dabei im Vordergrund, zudem macht es fit. Vielleicht hilft mir das Adrenalin auch beim Songwriting. Ich habe auch schon festgestellt, dass bei diesen Rennen viele Rockfans dabei sind- Rock und Autos, dass passt ganz gut. Vielleicht spielen wir auch mal ein kleines Festival auf dem Nürburgring. Bei 130 000 Leuten werden sich bestimmt einige Rocker finden.

Gibt es irgend jemanden, mit dem du gerne einmal zusammen arbeiten würdest?

Da kommen 1000 Leute in Frage. Ich habe sehr viele Freunde, mit denen ich gerne mal was machen würde, aber die sind meistens alle tierisch viel beschäftigt. Ich habe bei solchen Sachen auch schon schlechte Erfahrungen gemacht. Bei meinem letzten Soloalbu8m habe ich auch mit einem Musiker aus Amerika zusammen gearbeitet. Ein paar Wochen später ruft sein Manager an und wollte Geld dafür haben. Es ist traurig, dass das Business mittlerweile einen sehr großen Einfluss hat. Wir haben zum Beispiel auch bei dem Jubiläum von Grave Digger dabei, dass hat irre viel Spaß gemacht, mit so vielen Leuten zusammen zu spielen. Leider gerät so was immer mehr in den Hintergrund. Das sieht man ja auch an Clubtouren, die fast gar nicht mehr stattfinden.

Kennt ihr Primal Fear persönlich, mit denen ihr auf Tour gehen werdet?

Ja, die kennen wir. Wir freuen uns sehr auf diese Tour, weil es ja eine Co-Headlinertour ist. Das ist gut für die Fans, musikalisch passt es auch ganz gut, dass wird bestimmt ne coole Sache.

Deine abschließenden Worte?

Ich hoffe, dass die Leute verstehen, warum wir uns stilistisch auch dieses mal wieder verändert haben. Vielleicht werden einige enttäuscht sein, die „Ghost“ gut fanden, aber mit dem Nachfolger nichts anfangen können, denen wiederum gefallen die früheren Rage Alben nicht. Aber es gibt nun mal für jeden Musiker bestimmte Entwicklungsphasen, jeder will auch für sich persönlich einen Schritt nach vorne machen, dadurch bleiben auch Veränderungen nicht außen vor. Das ändert aber nichts daran, dass wir immer unser bestes geben und wir hoffen natürlich, dass „Unity“ den Leuten gefallen wird.

Oliver Bender






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