Während die Popkomm in Köln in vollem Gange war, weilte auch der schwedische Gitarrist Yngwie Malmsteen einige Tage in Deutschland, um sein neues Album "Attack" zu promoten. Da haben wir natürlich die Gelegenheit am Schopfe gepackt, um dem Ausnahmekönner einige Fragen zu stellen...
In Deutschland ist momentan die Festivalsaison in vollem Gange, das Bang Your Head und Wacken liegen bereits hinter uns, Summer Breeze folgt in Kürze. Warum nimmst du dieses Jahr nicht an einem der Festivals teil?
Das lag hauptsächlich daran, dass mein neues Album noch nicht fertig war. Das Hauptaugenmerk lag nun mal auf der neuen Scheibe. Aber wahrscheinlich werden wir nächstes Jahr an den großen Festivals teilnehmen, so ist jedenfalls der Plan. Vorgesehen ist ebenfalls eine Tour, die im Oktober in Europa starten soll, nach Weihnachten gehen wir in die Staaten, danach nach Asien. Je nachdem wie das neue Album ankommt, werden wir noch ein paar Gigs nachschieben. Das neue Album ist auf jeden Fall besser als das Letzte, von daher hoffe ich auch, dass wir vieles davon live präsentieren können.
Wie lange hast du denn an der neuen Scheibe "Attack" gearbeitet?
Nicht sehr lange. Ich habe vor Weihnachten angefangen, die Songs zu schreiben. Nach der langen Welttournee hab ich es dann während der Feiertage etwas ruhiger angehen lassen, um mich danach voll auf die neuen Songs zu konzentrieren. Ich bin ins Studio gegangen und habe angefangen, Melodien zu entwickeln, die Lyrics zu schreiben, bis ich so an die 30 Songs fertig hatte. Daraufhin bin ich nach Miami gefahren, um die Stücke aufzunehmen, den Bass einzuspielen usw. Die Aufnahmen gingen relativ flott und spontan von statten, dass Songwriting hingegen hat relativ viel Zeit in Anspruch genommen.
Du hast sehr viele unterschiedliche Stücke auf dem Album, 'Ship Of Fools' ist z. B. ein schnelleres Stück, während 'Stronghold' mehr in die härtere Richtung geht, dazu noch die bekannten klassischen Einflüsse. Wie wichtig ist es für dich, diese unterschiedlichen Elemente mit in deine Musik einzubauen?
Das ist eine gute Frage. Wenn man sich meine früheren Alben anschaut, habe ich das eigentlich auch immer beherzigt. Nehmen wir z. B. "Facing The Animal": Das ist eine sehr kommerzielle Scheibe die ich im Nachhinein betrachtet als Fehler ansehe. Das hatte damals aber auch etwas mit den handelnden Personen zu tun. Die wollten unbedingt, dass ich so eine Scheibe mache. Ich hab mich dann drauf eingelassen um die Leute glücklich zu machen. Mit "Alchemy" wollte ich einfach ein verrücktes Gitarren Album machen. Für "War To End All Wars" hatte ich eine Idee, die letztlich nicht so funktioniert hat, wie ich das wollte. Die Scheibe sollte ursprünglich in eine härtere und gröbere Richtung gehen. Unglücklicherweise hat bei dieser Scheibe ein Toningenieur mitgearbeitet, der wirklich komplett unfähig war, der Typ hat einfach nicht verstanden, was ich wollte. Deswegen ist diese Platte auch nicht so geworden, wie ich das wollte. Die Songs halte ich aber immer noch für sehr gut, vor allem live haben sie einen guten Sound. Jedenfalls: Die Alben, die ich jetzt aufgezählt habe, bei denen ist einiges schief gelaufen. Auf der neuen Scheibe "Attack" ist das anders. Nehmen wir mal 'Stronghold': Das ist ein ganz einfaches Riff, aber ich mag es. Das Stück hat einfach einen guten Rhythmus, so was finde ich cool. 'Attack' ist ein komplett anderes Stück, aber trotzdem ein absoluter Killer. Genauso wollte ich etwas wie 'Majestic Blue' machen, ich würde dieses Stück jetzt nicht als Jazz bezeichnen, aber es vermittelt schon eine andere Stimmung. Ich habe Bach-orientierte Songs drauf wie z. B. 'Iron Clad', bei dem Song 'Freedom' wiederum habe ich die Leadvocals übernommen. Das Album ist einfach ein guter Mix aus vielen Elementen. Ich finde das auch sehr wichtig bei einem Album, diese Flexibilität zu bieten. Die Ausnahme bildet hierbei für mich AC/DC, ich liebe diese Band. Ihre Songs haben alles dasselbe Tempo, denselben Rhythmus und trotzdem sind das absolute Killer. Ich finde sie großartig und würde nie etwas Schlechtes über sie sagen. Aber es entspricht nicht meiner Art von Musik. Ich möchte die Songs sowohl für mich als auch für den Hörer interessant gestalten. Deswegen gestalte ich die Stücke auch total unterschiedlich. Niemals dasselbe Tempo, denselben Rhythmus und dasselbe Gefühl. Denn das möchte ich auch nicht vermitteln.
Gibt es einen Song auf dem Album, der dir besonders gut gefällt, der vielleicht eine persönliche Bedeutung für dich hat?
Nein. Jeder Song hat eine Botschaft, jeder Song gibt dir etwas. Die Lyrics von 'Ship Of Fools' beispielsweise möchte ich jetzt im Detail nicht genauer erklären, aber sie beziehen sich auf einige Leute aus meiner Vergangenheit, deswegen dieser Titel. Aber ich denke, jeder Song hat seine eigenen Qualitäten, ein spezielles Stück gibt es in diesem Sinne nicht.
Ein Fan hat auf deiner Homepage geschrieben, dass er den Song 'Valhalla' großartig findet, weil er starke Anlehnungen an den Film "Der Herr der Ringe" hat. Wurdest du durch den Film inspiriert, dieses Stück zu schreiben?
Nein, den Song habe ich geschrieben lange bevor der Film erschien. Textlich geht das Stück natürlich schon in diese Richtung "Live with the sword, die by the sword, I raise my cup in Valhalla to drink with the gods" u.s.w. darum geht's. Es ist halt eine Fantasy-Geschichte.
Das Album endet mit den Intrumental 'Air'. Wie bist du darauf gekommen, dieses klassische Stück zu interpretieren?
Ich liebe dieses Stück einfach, deswegen habe ich es gemacht. Es ist im Original von Bach und hört sich auch dem Original sehr ähnlich an, ich habe lediglich die Arrangements etwas verändert. Aber dieses Stück ist ein sehr gutes Beispiel für die Möglichkeiten, die man mit einer Gitarre hat. Man hat fast das Gefühl, man kann mit der Gitarre singen, ich mag dieses Stück sehr gerne.
Wenn du jetzt mal zurückblickst auf deine bisherigen Alben: Wird es mit jeder neuen Scheibe schwieriger Ideen für neue Songs zu sammeln oder fällt dir das leicht?
Interessante Frage, darüber habe ich letzte Woche auch mal nachgedacht. Als ich damals in die Szene gekommen bin, war alles brandneu für mich. Und wenn du das alles noch nicht kennst, rockst du einfach drauf los. Einfach ist das auf keinen Fall. Aber es ist auf jeden Fall einfacher als 20 Jahre später die Leute immer noch zu begeistern. Die Reaktionen, die bis jetzt auf das neue Album bekommen habe, waren alle positiv. Und das ist das Schwierige, es zu schaffen, dass die Leute rufen "F**k, ist das gut" wenn sie deine CD hören. Was für mich sehr wichtig und auch immer den ersten Schritt darstellt: Ich muss mich erstmal selbst beeindrucken. Ich muss zuerst mal selbst mit mir zufrieden sein. Wenn ich das bin, kann ich meine Arbeit auch den Leuten vorstellen. Wenn ihnen das dann auch gefällt, ist das ein einfach ein wunderschönes Gefühl.
Du hattest bereits zu Beginn deiner Karriere Anfragen von großen Bands wie Kiss, U.F.O. und Ozzy, hast dich dann aber für Alcatraz entschieden...
Ja, die Art und Weise, wie das mit den Bands abgelaufen ist, war schon sehr komisch, ich lebte damals auch noch in Schweden. Irgendwann bekam ich dann einen Anruf von Kiss, sie hätten gehört ich wäre ein guter Gitarrist usw. Irgendwann kam dann die Frage: Bist du 6 Fuß groß? Ich kannte diese Einheit kann gar nicht. Jedenfalls bin ich 1,90m, was einer Größe von 6,3 Fuß entspricht, dass war damals mit ein Grund, nach dem die bei der Suche nach einem Gitarristen vorgegangen sind. Die Sache mit U.F.O. hat sich aus unterschiedlichen Gründen dann auch zerschlagen, ich wusste damals auch noch nicht so richtig, was ich wollte. Der nächste Schritt war dann, mich ans Songwriting zu machen, deswegen bin ich auch zu Alcatraz gegangen. Die hatten damals keinen Drummer, keine Songs, eigentlich gar nichts. Deswegen hab ich gesagt, OK, ich nehm das jetzt mal in die Hand. Ich war damals erst 19, die anderen waren schon viel älter. Wir hatten zwar nicht denselben Background, aber es war auf jeden Fall eine gute Erfahrung.
Also würdest du im Nachhinein sagen, dass es die richtige Entscheidung war zu Alcatraz zu gehen?
Würde ich schon sagen, auch in persönlicher Hinsicht. Einer der Bandmitglieder war damals in Japan sehr populär, ich bin mit ihm 1984 auch mal rüber gefahren. Wir haben ein Livealbum und ein Livevideo aufgenommen. Das Label meinte damals nur, der Junge könnte auch ein Soloalbum machen und so ist das alles ins Rollen gekommen. Deswegen bin ich auch sicher, dass das die richtige Entscheidung war.
Als du angefangen hast, Gitarre zu spielen, welcher Gitarrist hat dich maßgeblich beeinflusst?
Auf jeden Fall Ritchie Blackmore, keine Frage. Ich war 10 Jahre alt und habe jedes Solo von ihm nachgespielt. Irgendwann konnte ich auch die richtig extremen Soli spielen, so dass ich mir gesagt habe "F**k, ich kann das auch". Das war der entscheidende Wink zu sagen, ich will so was auch machen. Natürlich haben auch klassische Einflüsse wie Bach, Paganini oder Vivaldi mein Spiel maßgeblich geprägt.
Warst du nur ein Fan von Ritchie Blackmore oder hast du dich auch für seine Bands interessiert?
Natürlich, ich liebe Purple. Das war die erste Platte die ich hatte, Purple Forever. Ich war 8 Jahre alt, dass erste was ich hörte war der Doublebass von den Drums und mir war klar: Yeah, das ist es was mir gefällt.
Du hattest in den 80ern einen schweren Autounfall und es war lange Zeit nicht klar, ob du je wieder Gitarre spielen kannst. Wo hast du die Kraft hergenommen, diese Zeit durchzustehen?
Das liegt einfach an meiner Persönlichkeit. Das Leben besteht nun mal aus Herausforderungen und ich bin immer der Ansicht, dass es aufwärts geht und nicht abwärts. Dieser Unfall war damals noch nicht einmal das Schlimmste was passiert ist, das war ein schwierige Zeit in meinem Leben. Mein Haus wurde von einem Erdbeben verschluckt, ich hatte persönliche Probleme, Geldprobleme, dann noch der Unfall. Und das Allerschlimmste war, dass in dieser Zeit meine Mutter gestorben ist. Die ganze Scheiße ist zur selben Zeit passiert. Das war definitiv ein Test, dass alles durchzustehen. Ich denke auch nicht mehr großartig darüber nach.
Hast du während dieser Zeit jemals darüber nachgedacht, keine Gitarre mehr spielen zu können?
F**k, nein. Solange ich atme, werde ich Gitarre spielen. Ich kann mir auch kein Leben ohne Musik vorstellen, absolut nicht.
Gibt es irgendeinen musikalischen Wunsch, den du dir gerne einmal erfüllen würdest?
Eigentlich nicht. Ich denke, dass ich alle Ziele erreicht habe, die ich hatte. Was ich für sehr wichtig halte, ist die stetige Weiterentwicklung. Es gibt viele Musiker, die sich mit dem Erreichten zufrieden geben und einen Gang runter schalten. Das ist nicht meine Einstellung. Ich will mich immer weiter verbessern. Ich will ein besserer Gitarrist werden und ein besserer Songwriter, dass ist meines Erachtens der Grundstein für Erfolg.
Ist es möglich, dass du mal etwas in einer komplett anderen Richtung machst, vielleicht auf dem Jazz oder Blues Sektor?
Wenn überhaupt, dann eher Blues als Jazz. Ich lasse zwar gerne mehrere Einflüsse in meiner Musik zu, aber der Grundstein ist immer der gleiche. Ich bin sehr zufrieden mit dem was ich mache und habe auch kein allzu großes Interesse daran, diese Einstellung zu ändern.
Zum Schluss noch deine Worte an die Leser:
Ich hoffe natürlich, dass den Fans mein neues Album "Attack" gefallen wird und freue mich schon darauf, auf Tour zu gehen, um es live präsentieren zu können.
Oliver Bender