Es ist schon immer wieder schön neue Clubs zu besuchen und die Erfahrungen mit anderen Läden zu vergleichen. Meist sind die neuen Spelunken jedoch weit entfernt gelegen, haben also einen gewissen Exotenbonus. Dass man auch vor der eigenen Haustür immer wieder Überraschungen erleben kann, bewies die Live Arena. Einfach klasse, welch ein Laden da gebaut wurde: gemütliche Sitzecken, normale Getränkepreise, große Tanz- bzw. Publikumsfläche, saubere Toiletten und eine sehr genialer Sound. Im Ganzen erinnerte der Laden an eine (bessere) Version der Ludwigsburger Rockfabrik.
Den musikalischen Anfang machten um kurz nach Sieben Mystic Prophecy. Vor recht spärlichem Publikum war den Schweden, bei denen einige bekannte Herren von z.B. Raise Hell spielen, die undankbare Anheizeraufgabe zugefallen. Instrumental absolut auf der Höhe, wäre für jeden Power und Thrash Metal Fan der Tisch gedeckt gewesen, hätte die Truppe nicht solch einen 08/15 Power Metal Sänger. Nicht dass er schlecht war, aber mit weniger hohem und etwas kratzigerem Gesang wäre sehr viel mehr drin gewesen, gerade weil Mystic Prophecy die Amis von Testament ein Begriff sind. Knackige, gute Riffs und Songs als Plus, Sänger Geschmackssache, der 80er Style gibt noch mal Bonus, macht einen objektiv guten Auftritt, der mehr Beachtung verdient gehabt hätte.
Nach erfreulich kurzer Umbauzeit, betrat eine junge Band namens Mnemic den Altar des Musikfans. Die Achtziger waren hier zwanzig Jahre zu spät, denn im modernen Outfit (so ein wenig David Beckham darfs scho sein) und auch in der Musikwahl, brachte die Band guten, rhythmischen Death Metal mit einem Schuss Hardcore an die Frau und den Mann. Etwas Fear Factory und etwas (gitarrenmäßig) Hatebreed, mit einem wütend schreienden Sänger war ganz nett, um sich etwas Bier in den alltagsgestressten Magen zu füllen. Mit mehr Abwechslung und Eigenständigkeit könnte aus Mnemic noch was werden. Potential ist da, also im Auge behalten.
Nach den relativ unbekannten, aber guten Hüpfern war es an Darkane zu zeigen, dass man bald noch höher im Billing stehen will. Auf Platte fand ich die Herren oft etwas zu hektisch und technisch, doch live mit diesem Sound im Rücken knallte das richtig gut. Die Menge vor der Bühne vergrößerte sich zusehends, als man mit einer Mischung aus neu und einigen älteren Songs von den Vorgängern glänzte. Klangtechnisch kaum voneinander zu unterscheiden, blieben die neueren Tracks doch besser im Ohr, gerade ‚Fatal Impact’ und ‚Chaos Vs. Order’ klangen stark. Macht diese Band so weiter, dann darf sie sicher bald mehr als acht Songs aus dem Hut zaubern.
Die Lieblinge der stählernen Presse (ich eingeschlossen) hatten ja ein Quasi-Heimspiel und dazu noch eine tolle Neuerscheinung im Rücken, da sollte eigentlich nichts schief gehen. Na ja eigentlich. Denn ausgerechnet der Sound von Disbelief war undifferenziert (nicht völlig, aber verhältnismäßig) und verschluckte gerade die ruhigeren Parts an der Gitarre. Herr Jäger überzeugte völlig und war von Beginn an der Leader einer eingespielten Truppe. Nach dem gesampelten Intro der neuen Platte gab es mit ‚To The Sky’ gleich eine Ramme par excellence hinterher, obergenial auch wenn einige Parts an Gesang und Gitarre dazu gesampelt wurden. Das Problem der Superproduktion von „Spreading The Rage“ im Stage One wurde nun deutlich, denn dieser Sound ist live fast nicht umzusetzen. Dennoch gab es einige Teile von dieser Scheibe, wie ‚Ethic Instinct’, ‚Death Will Score’, den Titeltrack oder auch das ruhigere ‚Drown’, das den zerbrechlichen, psychotischen Charakter der Band zeigte. Die Haare flogen und trotz der genannten Mängel war der Auftritt der Hessen ein Erlebnis. Wer glaubte, dass Disbelief sich jedoch nur auf den neuen Silberteller verlassen würden sah sich getäuscht, denn auch Songs wie ‚Falling Without Reason’ oder ‚God?Master’ vom Debüt wurden den treuen Anhängern präsentiert. Sieht man vom Sound ab, war es ein charismatischer, starker Auftritt der Deather born in Hesse.
Mark Osegueda sprach mir aus der Seele, als er gleich zu Beginn des Konzertes ankündigte, dass es heute sehr viel mehr Songs als im Frühjahr zu hören geben werde. Death Angel sind auf ihrer völlig verdienten Headlinertour und keiner geht hin. Nicht ganz, aber der Laden war nur halb voll, was mich zu der Schlussfolgerung brachte, dass Metaller dumm sein müssen. Wer lässt sich denn so was durch die Lappen gehen? Fast zwei Stunden Thrash Metal wie ihn jeder Fan von harten Gitarren lieben muss. Power, Show, Emotion, Aggression alles war geboten und ich muss die Superlative aus dem Frühjahr relativieren, jetzt war der kalifornisch-philippinische Fünfer noch besser. Nicht nur die Klassiker wie ‚Endless Time’, ‚Stop’ oder ‚Mistress Of Pain’ wurden gezockt. Auch andere klasse Songs wie ‚3rd Floor’ vom etwas schwächeren Zweitling der Band oder ‚Disturbing The Peace’ knallten unbarmherzig auf das begeisterte Publikum. Geile, knarzige Gitarren, ähnlich wie auf dem Debüt, und das giftigste Live-Schlagzeug ever versüßten den Fans jeden Song. Die Schreiereien Marks waren eindrucksvoll, wobei alle Mitglieder mindestens (klar) Background sangen und der Sänger sogar für einige Minuten die Bühne verließ, um der Band die Möglichkeit zu geben, das Instrumental ‚The Ultra-Violence’ in ordentlicher, nicht vollständiger Länge zu spielen. Aber auch ‚Final Death’ wurde nicht von ihm intoniert. Der Traum von einem Mann (da könnte der Metaller doch schwul werden) bot wenn er sang jedoch eine Topleistung, ob bei den drei moderneren, neuen Songs ‚Prophecy’ (etwas lahm), ‚Steps Of Freedom’ (absolut treibend mit ganz geiler Stimme) und ‚The Devil Incarnate’ (typisch Death Angel) oder bei - festhalten - der Halbballade ‚A Room With A View’ und ihrem vollen Bruder ‚Veil Of Deception’, da war nichts auszusetzen. Die Bay Areaner schrubbten sich voller Energie durch mindestens 17 Songs, um mit der Krönung ‚Kill As One’ abzutreten. Wenn das neue Album, das bestimmt nicht einfach zu konsumieren sein wird, nächsten Frühling einschlägt, ist der Thrash Metal mit dieser Live-Band wieder richtig dick im Geschäft. Besser geht es fast nicht!
Christian Kremp
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