Konzerte

With Full Force 2004

02.Juli bis 04.Juli 2004
Flugplatz, Roitzschjora

Zum mittlerweile elften Mal trafen sich Punks, Metaller und Hardcoreler in Roitzschjora, um zusammen ein Festival zu feiern, dass keine Stilgrenzen kennt. Auf dem immer noch riesigen Flugplatz gab es genug Platz für alle und ausreichend saubere Dixies. Auch die Anfahrt gestaltete sich angenehmer als im letzten Jahr, da die Kontrollen scheinbar zügiger durchgeführt wurden, aber auch ein paar Zuschauer weniger als im letzten Jahr kamen. Viele waren auch bereits Donnerstags angereist, um sich den freitäglichen Stress zu ersparen. Nachdem erstmal getrunken und gegrillt worden war konnte der musikalische Teil der Veranstaltung am Freitag Nachmittag beginnen. Auch die Bändchenausgabe verlief ohne Stauung, so dass man das altbekannte Festivalgelände betreten konnte.

Hier gab es nichts wirklich neues zu vermelden, alle Bühnen wie gehabt und das Wetter schien halbwegs mitzuspielen, es war recht trocken, jedoch sehr böig und kühl. Der Wind zerstörte dann auch gleich eines unserer Pavillons, dessen Reste dann zur Reparatur des zweiten genutzt werden konnten. Das alles geschah während ich mir die erste Band ansah: Soilwork. Die Schweden kamen mit ordentlichem Sound auf die Bühne und brachten auch gleich die ersten Köpfe zum wackeln. Live fehlt ihrem Spiel jedoch die klare Brillanz, die die Studioaufnahmen ausmacht. Trotzdem überzeugten gerade die thrashigen harten Parts, die zeigten, dass immer noch genügend Metal in der Band steckt. Routiniert durch das beständige Touren, gab es viel neues zu hören und als Festivaleinstieg war das schon sehr gut.

Death Angel waren der erste Knaller des Abends, der San Francisco Fünfer war live wie immer geil, wusste nun auch mit neuen Songs wie 'Crowned To The Wolves' und 'The Devil Incarnate' zu rocken, trotzdem war die Spielzeit bei weitem zu kurz, da von der "Act III" nur 'Endless Time' gespielt wurde. Gesang und Sound waren ordentlich aber nicht überragend, wie sonst auch. Weiter gab es 'Evil Priest', aber kein 'Kill As One'. Das darf einfach nicht sein, auch wenn es angenehm ist, dass Spielzeiten fast exakt stimmen, müsste eine Band auch zumindest eine Zugabe spielen dürfen, wenn das Publikum es fordert. So musste man sich mit der light Version des Sets zufrieden geben und hoffen, dass sie bald wieder auf Clubtour kommen. Toller Auftritt, wie immer.

Hypocrisy sind eine Death Metal Institution, auch wenn sie mich noch nie sonderlich überzeugen konnten. Heute lieferten sie einen guten routinierten Gig ab, der zwar etwas leise klang, jedoch gerade deswegen den Sound sauberer präsentierte als dies sonst der Fall war. So kamen die Stärken der Schweden um Tätgren gut zur Geltung und das hungrige Publikum war überzeugt.

Auch The Exploited wussten zu überzeugen. Meine Wenigkeit durfte zum ersten Mal dem treiben von Watty und Co. beiwohnen. Der Sound war in den Höhen, wie fast während des gesamten Festivals nicht sauber und zu leise, so dass die Gitarren weniger sägen konnten. Auch wurde durch den Wind der Sound oft etwas weggetragen und schien merkwürdig leise, Ohrenstöpsel brauchte niemand. Selbst bei den Schotten nicht, die vor allem von dem neuen, vorzüglichen Output "Fuck The System" und dem nicht schlechteren "Beat The Bastards" Vorgänger genommen waren. 'Holiday In The Sun', 'Your A Fucking Bastard', 'Beat The Bastard', 'Fuck The System' und natürlich am Ende 'Sex And Violence', das einfach göttlich ist. Drei Worte in verschiedenen Betonungen machten auch die seltsame Haarpracht von Watty wett. Das Publikum war begeistert und feierte Exploited kräftig ab.

Es folgte eine Band zu der manche Leute mit der Aussage "die hab' ich doch schon vor sieben Jahren gesehen", nicht hingingen: Life Of Agony. Die Comebacker aus New York hatten in der Presse beste Livekritiken bekommen und das völlig zurecht, der mit Abstand beste Sound des gesamten Festivals und was für ein Groove, immer geil zum mitmoshen. Da durften die Hits der alten Scheiben nicht fehlen, die qualitativ klar besser waren als die der neueren Platten. Hört man den Sound der Truppe so bemerkt man jetzt wie einflussreich die Band auf die neue Metalszene gewesen ist, gerade was Gesang und Gitarrenarbeit angeht. Ich muss zugeben, diese Band bis dato unterschätzt zu haben.

Es folgte eine Band, die den Groove ebenfalls im Blut hat. Hatebreed konnten ihren Auftritt aus dem letzten Jahr problemlos toppen, da man jetzt mit "The Rise Of Brutality" eine Menge mehr Hits an Bord hatte. 'Straight To Your Face', 'Live For This', die Slayerverneigung 'Doomsayer', 'This Is Now' und 'Beholder Of Justice' gaben ein perfektes Bild, hart, direkt und nur Rhythmus. Ohne Kompromisse einfach immer wieder ab nach vorne, so waren Hatebreed live kaum zu toppen. Hoffentlich machen die Herren bald nochmal eine Tour durch Deutschland, da ist ein Besuch Pflicht. 'I Will Be Heard' meinen Liebling gab es auch noch, so dass wirklich nichts zu meckern gab.

Als Headliner des Abends waren Slipknot gebucht, die gemessen an der Anzahl der Shirts einen Löwenanteil der Besucher ausmachten. Was die Leute allerdings an dieser Band finden bleibt mir allerdings weiterhin schleierhaft. Doch der Reihe nach: zuerst gab es eine Umbaupause wie sie länger und unverschämter nicht sein konnte, zwanzig Minuten Schlagzeugsoundcheck sind eine Frechheit und danach wird dann langsam mal die Gitarre gestimmt, is klar, man wartet ja gern. So waren beste Voraussetzungen für eine objektive Bewertung der Band gegeben. Irgendwann kamen die Iowaner dann doch mit ihren Masken auf die Bühne und hatten wenigstens einen ordentlichen Sound. Doch ein Inferno an Krach, dem einfach die Linie fehlt, das nichts bietet was hängen bleibt. Ich würde es NuDeath Metal nennen. Faszinierend sind einzig die Bühnenauftritte der Amis, die recht bizarr anmuten, jedoch etwas unglaubwürdig erscheinen. Die Masken sollen von den Persönlichkeiten der Musiker ablenken und die Musik in den Vordergrund rücken. Ach so Blickfang tragen, um nicht aufzufallen, naja.

Nach der Hälfte des Sets verziehe ich mich zu Disbelief die nebenan spielen. Die beginnen mit den Knallern des neuen Albums, aber was für ein Sound, völlig unsauber, nur Bass, die Feinheiten, die die Faszination der Band ausmachen gehen völlig verloren, so dass man sich die Songs weiterdenken muss. 'To The Sky' ist trotzdem ein Hammersong, ebenso wie der Titeltrack der neuen Scheibe. Diese Band hat besseres verdient. Vom Publikum kamen übrigens einige von der Hauptbühne herüber, Slipknot schien also nicht nur mich nicht zu überzeugen.

Der Freitag ist für mich dann beendet, da Autofahrt, Alkohol und weiteres ihre Wirkung zeigen. Daher ist der Weg zum Zelt angesagt leider, denn so verpasse ich Naglfar , die ich sehr gerne gesehen hätte. Doch halb vier ist etwas spät, direkt danach kommt die Black Metal Band Mayhem . Im Halbschlaf höre ich (es ist bereits wieder hell) wie die Norweger angesagt werden, als Norway Black Metal Stars from hell und direkt mit 'Deathcrush' beginnen, danach träumt man weiter.



Der Samstag war vom Billing der wohl beste Tag, vom Wetter her aber gegen Abend beschissen, so regnete es bei Grave Digger so erbärmlich, dass ich mich nicht zu einem Besuch durchringen konnte. Es gab schließlich lecker Steaks und Bier unter dem Pavillon und haasiges Gespräch. Denn das eigentliche Feeling ist das gemeinsame abhängen, trinken und Dixies nutzen, langsam bemerken, dass man dann doch hackedicht ist. Exakt soweit war es bei mir während Ektomorf und vor allem The Bones , erstere aus Ungarn zeigten, dass sie sicher eine der Bands der Zukunft sind und sicher noch öfters auf dem Full Force spielen werden, denn ihr Death Metal / Hardcore Gemisch ist wie gemacht für dieses Festival. Sauber vorgetragen zitieren sie zwar ein wenig Sepultura, aber es sind viele eigene Ansätze im Sound vorhanden und auch die Bühnenshow war energiegeladen. So unbekannt wie immer behauptet wird, waren sie dann auch nicht, denn viele Besucher gingen auch im Gesang zu der Band ab. Sympathisch auch die Dankbarkeit der Band, die sichtlich glücklich war ihre Musik darzubieten. Mehr davon und ruhig mal auf Platte antesten.

The Bones begannen kurz danach, aber der Redakteur war nicht fähig die Musik zu analysieren, stattdessen musste er sich selbst erkennen und die Welt gerade rücken, im Rückblick klang es wie eine schwächere Variante von Gluecifer ohne der Band zu nahe rücken zu wollen. Erstmal zurück zum Zeltplatz und ausruhen.

Was hatte ich mich auf Discharge gefreut, da sie bereits letztes Jahr abgesagt hatten und dann das. Wieder nix, das ist ganz arm und verlangt nach einer dicken Entschuldigung. Einzig gut daran war, dass die Lokalmatadore mit dem Satz: "Wir sind Discharge aus Mühlheim" auf die Bühne kommen konnten. Mit Sprechgesängen gefordert und gefeiert zeigten die Ruhrpottler einen richtig guten Auftritt, der natürlich von den witzigen Texten der Band lebte. 'Fette Motte', 'Ich les' Happy Weekend', 'Viva Lokalmatador' und natürlich 'Fußball, Ficken, Alkohol' hatten richtig Spaß in den Backen. Apropos, auch der Sänger nahm seine Wasserflasche zwischen die Backen, so richtig rein und dann daraus getrunken und Publikum angespuckt. So muss das sein. Ein leider viel zu kurzer Auftritt einer Band, die jeder, der einen Funken ironischen Humor besitzt, lieben muss. Auch hier gab es wieder keine Zugabe, trotz minutenlanger Sprechchöre mit dem Hitrefrain 'Olé, olé, olé, viva lokalmatador'. Mehr davon!

Fear Factory zeigten auf der Hauptbühne derweil einen starken Auftritt, der wie immer fast völlig ohne Ansagen auskam. Der Sound kam sehr ordentlich und so stand der Reunion der Amerikaner nichts im Wege. Es gab einiges vom neuen Album, z.B. 'Cyberwaste', sehr oldschool deathig, und den Titeltrack, natürlich 'Demanufacture' und 'Replica', sowie Songs von "Obsolete" und "Soul Of A New Machine" wurden gespielt. Auf der Bühne machte Byron Strout, der neue Bassspieler, von Strapping Young Lad, eine mächtige und gute Figur, fügte sich in das Bandgefüge ein. So gab es einen Gig wie ihn sich Fear Factory Fans nur wünschen konnten.

Es folgten Ignite, eine der Bands aus dem Hardcoresektor, die live ein absolutes Muss darstellen. Sie trafen dann mit ihrer aggressiven, schnellen Performance genau den Nerv des Publikums. Der Mob tobte so richtig, gerade auch weil die Band eine ganze Kante Metal ins Geschehen warf. Das hören Hardcore Fans zwar nicht gerne, aber der Beweis kam, als die Saite einer Gitarre riss und der neue Gitarrist, als ehemaliges Mitglied einer Metalband vorgestellt wurde und auch gleich mal 'Thunderstruck' anspielte und dabei schön Schnaps trank. Zufrieden trollte man sich zur Hauptbühne wo es Norway Black gab.

Dimmu Borgir hatten die Chance mir endlich einmal mit gutem Sound vorzuspielen und zu Beginn gab es den auch. Gute atmosphärische Bühnenshow mit viel grün trug zum Wohlwollen ebenso bei, wie der neue Schlagzeuger, der einfach nur geile Doublebassparts spielte, da machte es Lust sich einfach in eine Basswand fallen zu lassen. Doch der Gitarrensound litt zusehends, wurde immer undeutlicher, wie auch das Keyboard. So war es schwer die Songs zu erkennen, denn es war häufig nur ein undeutlicher Brei, der in den Höhen zustande kam. Nach der Hälfte des Gigs war für mich erneut Schluss, es machte einfach keinen Spaß mehr. Schade, das diese Band es fast niemals hinbekommt, den Sound zu richten.



Der letzte Tag war vom Billing insgesamt nicht ganz so stark wie die Vortage, bot dafür dann aber geniale Spitzen. Den Anfang machten Hatesphere, die für Exumed in das Aufgebot gerutscht waren (Wie im Interview bereits angedeutet). Der Death / Thrash der Dänen kam exzellent beim Publikum an, wenn auch mehr Songs von der "Bloodred Hatred" genommen wurden, wohl auch weil die neue Platte in noch nicht so vielen Köpfen sitzt. So gab es nur 'Deathtrip' von den neuen, dafür aber 'Disbeliever', 'Believer', 'Hell Is Here' vom Vorgänger. Sänger Bredhal lag auf der Bühne herum und schien nicht sonderlich gesund bzw. nüchtern. Daher war es nicht verwunderlich aber witzig, dass er mal eben auf die Bretter kotzte und noch stolz mit seiner Spucke spielte. Genau das richtige am Morgen. Das der Band dann mitten im Song der Saft abgedreht wurde war wieder sehr ärgerlich, denn der Funke war gerade am überspringen, schade es war sehenswert. Hoffentlich im nächsten Jahr länger.

Eine Überraschung boten Heaven Shall Burn, die mit ihrer Hardcore und Black Metal Mischung, völligst überzeugen konnten. Wenn nur manche Black Band solche verzweifelten Riffs und Stimmungen umsetzten könnte. Es trat richtig schön Arsch, gerade da mir die Songs, obwohl völlig unbekannt, sehr gut reingingen. Auch der Sound stimmte, Tipp für die Zukunft. Die Ossies haben's drauf.

Dann war es endlich soweit. Turbonegro gaben ihr Comeback auf dem Full Force, nachdem man Ende der Neunziger bereits hier gespielt hatte. Und sie sind immer ein Erlebnis. Die Begrüßung "Hallo Ossies" war bereits gut, doch weitere Knalleransagen wie "If you want to die by the sword, you have to live by the Sword. Are you ready for some European Eastern darkness and you have to rebuilt the wall, so you can bang your head against the wall" waren einfach richtig geil. Songs gab es leider viel zu wenige und nur von den letzten beiden Scheiben. 'Apokalypse Dudes', 'Prince Of The Rodeo', 'Everboy Sell Your Body...' waren zwar klasse, aber es darf nicht 'Erection' noch 'Denim Demon' fehlen. Auch hier wurde trotz großem Abfeiern der Saft abgedreht. Sehr ärgerlich, gerade weil der Keyboarder, völlig breit, ständig das Mikro hinwarf und das Board nur wegen eines umsichtigen Bühnentechnikers nicht umwarf, als er sich darauf setzten wollte. Unterhaltsam wie immer.

Agnostic Front zeigten einen sehr routinierten Auftritt ohne zu glänzen, der Sound schien seltsam leise, so dass einfach nicht die Energie eines normalen Hardcoregigs frei wurde. Das Publikum feierte die New Yorker trotzdem als einen der Headliner des Festivals ab. Mir kam zu wenig Feeling rüber, was aber fast nur an dem mageren Sound der Band lag.

Dann hätte ich mir normalerweise Monster Magnet angesehen, denn deren neues Album ist wirklich richtig gut, aber die EM war dann doch stärker, das Finale auf der Großbildleinwand überzeugte dann auch durch kurzweilige Aktionen der Zuschauer in der langweiligen ersten Hälfte. Was so ein Gummiball doch alles anrichten kann. Dann besannen sich Ottos Jungs und der ehemalige Werder Coach und der Stürmer von Werder Bremen, Angelos Charisteas, machten die Saison für die Grün-weißen endlich perfekt und Griechenland zum sensationellsten Europameister aller Zeiten. Im Hintergrund fiedelten die Backyard Babies und unterstrichen erneut ihre Affinität zu Social Distortion, die im Sound der Skandinavier eine große Rolle spielen. Monster Magnet hätte ich zu gerne gesehen, gerade wegen des neuen Hammeralbums, aber man muss Prioritäten setzen.

Soulfly waren mir es dann nicht wert, denn nur wegen der alten Sepulturasongs hinzugehen, ist doch zu wenig. Macht doch bitte wieder richtigen Metal!!

So ging auch dieses gelungene Festival zu Ende, mit einigen Highlights versehen und sehr viel Atmosphäre. Wenn das Wetter nur ein wenig besser gewesen wäre, doch man kann nicht alles haben. Weiterhin das beste deutsche, harte Festival, in allen Belangen. Ein Danke geht an alle Mitfahrer, die neben viel Spaß auch noch gute Beiträge zu diesem Bericht gaben.

Christian Kremp






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