Konzerte

With Full Force 2005

01.Juli bis 03.Juli 2005
Flugplatz, Roitzschjora

Es war wieder einmal schlechtes Wetter vorhergesagt, als wir uns auf den Weg zum diesjährigen Full Force begaben. Die Nacht hatte es durchgeregnet und auch auf dem Weg nach Roitzschjora gab es wenig Anlass zur Zuversicht, bis etwa 150 km vor dem Ziel, dann klarte es auf (O-Ton „Mann jetzt ist es schon wieder sauheiß im Auto“) und vor Ort war das Wetter erfreulich mild. So blieb es bis Sonntag mit kleineren Ausnahmen am Freitag. Bestes, nicht zu heißes Wetter war die Grundlage auf der sich gut aufbauen ließ. Erstmal noch die freundliche Polizeikontrolle kurz vorm Festival überstehen, aber dann...

Das wurde zunächst auf dem Campingplatz getan, zu Obituary war dann ein erstes Highlight auf der Bühne zu vermelden. Reformiert und mit einem (ich verrate es mal) sehr starken Album in der Hinterhand, betraten die Amis die Bühne und eröffneten mit dem instrumentalen Intro der neuen Platte (‚Redneck Stomp‘). Sehr fetter Sound und eine Band die Lust hatte zu spielen, brachten die Menge auch leicht in Wallung und überzeugten mich endgültig, dass ich mit Obituary jahrelang eine Band unterschätzt habe. Die Klassiker der Band gehen dermaßen groovig ab, immer ein lockeres, einfaches Riff, das trotzdem nicht langweilig ist, das ist die Stärke der Band. Ebenso überzeugt der hardcorelastige Gesang, der auch gleich zu einer anderen Band führte. Hatebreed sind eigentlich die kleinen Söhne der Floridaner, leider können sie ihren Eltern noch nicht das Wasser reichen. Hammerauftritt bei dem auch die neuen Songs z.B. ‚Insane‘ perfekt eingebaut waren. Comeback as Comeback can be!

Kurze Pause und dann zurück zu Killswitch Engage. Die Band hat sich mittlerweile eine ordentliche Fanbasis erspielt und auch der Platz im Billing (Vorabend) deutet die Größe der Band an. Ihr Metalcore mit vielen melodischen Einschüben tritt auch sehr gut Arsch, einzig gelegentlich könnten sie etwas rauer sein und sich nicht dem Melodiewahn, gerade im Gesang zu ergeben. Die Zuschauer fanden‘s sehr geil und möbelten sich gegenseitig recht gut auf. Haare flogen und der Boden, schon wieder fast trocken, staubte los. Die Energie war am Freitag auch noch da, so dass dem Abfeiern nichts im Wege stand, nicht einmal der Sound, der im letzten Jahr noch enttäuscht hatte. Diesmal passte es, so dass Killswitch Engage einen beachtlichen Auftritt liefern konnten, der ihnen wohl einige neue Fans eingebracht haben wird.

Jetzt wurde es schwierig In Flames oder Misfits? Misfits oder In Flames? Ich entschied für Misfits und wurde enttäuscht. Sehr mager und bewegungslos, ohne das rechte Feuer standen die Misfiter auf der Bühne, zudem war der Sound blass, was in Anbetracht der letzten Veröffentlichungen fast schon als Parodie durchgehen kann. Auch wurde mir wieder bewusst, dass die alten Songs mit Glen doch besser sind, als die letzten Teile. Als dann ‚Teenagers From Mars‘ gespielt wurde, entschloss ich doch besser In Flames zu sehen, da keinerlei Spirit aufs Publikum transportiert werden konnte. In Flames waren hingegen unglaublich groß. Diese Band ist gewachsen musikalisch in eine völlig eigene Ecke, aber auch die Präsenz spricht hier eine große professionelle Sprache. So zockten die Schweden einen Auftritt, der zwar nicht außergewöhnlich, dennoch aber lohnend war. Mit einer Songauswahl die natürlich mehr wert auf die letzten CDs legte, war ich dann glücklich wenigstens einen Song von „The Jester Race“ hören zu dürfen, ‚Graveland‘. Hier war auch die Veränderung am Meisten zu bemerken, die diese Band durchgemacht hat, klarerer Gesang und Gitarrensound sind es die In Flames verändert haben. Richtig guter Auftritt.

Slayer am Freitag, besser kann man wohl kaum in das Festivalwochenende starten. Und es gab auch keinen Anlass zu meckern während des Auftritts der vier Helden des Thrash Metals. Wie schon In Flames sehr professionell, gab es zunächst ‚God Hates Us All‘, sowie einen neueren Song, um dann mit ‚War Ensemble‘ in die Klassikerphase der ersten vier Alben einzutauchen. Dabei wurde von „Hell Awaits“ zwar der Titeltrack weggelassen, dafür gab es ‚Necrophiliac‘ und ‚At Dawn They Sleep‘, zwei seltenere Livesongs. Auch das Debüt wurde überraschend mit dem Titelsong und ‚Black Magic‘ bedacht. Daneben gab es natürlich einiges an erwarteten Songs mit dem unvermeidlichen und unvergleichlichen ‚Raining Blood‘, immer wieder Gänsehaut pur diesen Song zu hören. Im Publikum steppte ebenfalls der Bär, da es wie erwähnt immer noch Freitag war und Slayer schon spielten. Hätten sie noch ‚Crionics‘ gespielt, ich wäre restlos glücklich gewesen.

Die Knüppelnacht war dann aber nicht mehr zu schaffen, zumindest nicht für den Autor, der dem mittlerweile über 12stündigen Exzess Tribut zollen musste.



Erstmal grillen und Bier war das Motto für Samstag, da die erste angepeilte Band, Merauder, erst am Nachmittag spielten. Die Sonne brannte und das Bier floss in Strömen, die ersten Leichen wurden dann auch gesichtet, wie überhaupt der Zeltplatz alleine, wie immer Geschichten für ein ganzes Buch geboten hätte. Auch die ordentlicherem Erkenntnis, „Ey, gestern sahen die Mädels aus dem Zelt da drüben noch viel besser aus“, lässt einiges erahnen.

Mit dem obligatorischen Dosen-und-alles-was-rumliegt-zum-Fußballspielen-benutzen ging es dann zum Haupteingang und dann vor die Zeltbühne. Merauder sind eine der Bands, die trotz guter Qualitäten und Alben in den Neunzigern nicht im Gedächtnis vieler geblieben sind. Das Publikum war dann auch eher spärlich, leider. Denn gerade die Metalcorekiddies könnten hier musikalisch lernen, woher ihr Stil eigentlich kommt, bzw. welche Bands schon vor 10 Jahren ähnliches spielten. Fetter Sound und massive Riffs brachten die Haare zum Schwingen ebenso wie das Tanzbein. Thrash meets Hardcore mit eigenem Gesang, richtig guter Auftritt, der leider nicht groß beachtet wurde.

Ansonsten bot der Samstag erst wieder gegen Abend etwas, als die Kassierer das Zelt bespielten und vor vollem Haus für assiges Amüsement sorgten. Der Sänger Wölfi verbrachte den halben Gig total nackt und trotzdem das Publikum siezend auf der Bühne. Eine ewige Introphase, in der die Band sich nur selbst abfeierte und Songtitel, die unter die Haut gehen. Wer Anspruch erwartet hatte wurde nicht enttäuscht, es pöbelte in allerbester Manier das Ruhrpottquartett. Weglachen war angesagt, ‚Ich bin faul, stinkfaul‘, ‚Sex mit dem Sozialarbeiter‘, ‚Mach die Titten frei, ich will wichsen‘, ‚Großes Glied‘ sind trotz der musikalisch sicher etwas beschränkten Möglichkeiten der Kassierer live richtig gut. Es ist halt eher ne große Party, als ein anspruchsvolles Konzert, wo die progressiven Anschläge an der Gitarre mit Hilfe eines Taktzählers überprüft werden. Guter Auftritt, aber die Lokalmatadore im letzten Jahr waren besser.

Bühnenwechsel zur Mainstage, denn dort war nun der Headliner des Samstags angesagt: Iron Maiden. Doch zuerst trat Götz vom Rock Hard auf die Bühne und teilte mit, dass Lemmy im Krankenhaus sei und darum Motörhead nicht spielen könnten. Neben dem Schock, dass Mister Unkaputtbar nun doch einmal seinem Lifestyle Tribut zollen musste (Gedanke: Verdammt vielleicht kann man es doch nicht so durchziehen), war die Enttäuschung über die Absage natürlich groß. Hoffen wir das Beste für einen der großen Helden unserer Musikrichtung. Maiden fuhren dann ein mächtig Bühnenshow auf und begannen gleich mit ‚Murders In The Rue Morgue‘ mit einem Klassiker. Bruce in sehr agiler Form erklärte danach auch, dass es heute Abend nur Songs von den ersten vier Alben der Band zu hören geben würde, was mir in die Karten spielte, da dort die mit Abstand besten Songs von Maiden zu finden sind. Mit coolen wechselnden Backdrops spielten sich die Jungfrauen durch einen Set wie er besser nicht sein konnte. Hit an Hit gereiht ‚Running Free‘, ‚Iron Maiden‘, ‚Charlotte The Harlot‘, ‚Phantom Of The Opera‘ als Highlights vom wahnsinnigen Debüt, waren für mich die absoluten Hits, aber auch ‚The Trooper‘, ‚Hallowed Be Thy Name‘, ‚Run To The Hills‘ und ‚The Number Of The Beast‘ als Publikumsfänger und weiteres Material, dass die wahren Fähigkeiten der Briten demonstrierte. Der Sound war perfekt, bewahrte sogar ein wenig das Schallplatten-Old-School-Feeling der Songs, die nicht durch Härte und Kälte gebremst wurden. Herr Dickinson rannte über die Bühne und sang sehr,sehr gut selbst die Di‘Anno Songs behielten ihren rotzigen Charakter. Nur etwas kurz mit nur einem Zugabenblock fiel der Gig aus, ob dies an der Unlust der Band lag, ist schwer zu sagen, denn unmotiviert war dieser Auftritt sicher nicht. Dieses Set war sicherlich ebenfalls mit Ausschlag gebend, sehr geil.

Mainstage dunkel, also rüber zu Knorkator, um noch ein wenig abzulachen. Mein erstes Liveerlebnis dieser Grand-Prix-erprobten Chaoten war dann auch lohnend, völlig durch die Herren, insbesondere das Plüschkeyboard. ‚Böse‘, ‚Ich Hasse Musik‘ waren schon fantastisch, aber die rhetorische Frage ‚Wie Weit Ist Es Zum Horizont?‘ mit einer mathematischen Berechnung in Liedform zu beantworten, inklusive Zeichnungen,das war der definitive Höhepunkt des Auftrittes. Live sind diese Herren gerade auch wegen der Optik sehr witzig und wesentlich lohnender als auf Platte. Guter Auftritt zum ruhigen Abgleiten in die nächtliche Feier auf dem Zeltplatz.



Der Höhepunkt des Festivals, auch ohne Motörhead, aufgrund deren Ausfall jede Band mehr Spielzeit bekam, heute war Daueraufenthalt vor der Mainstage zu buchen, eine Highlight nach dem anderen. Den Anfang machten Dew-Scented, die mit einem starken Album im Rücken das Publikum aufwärmen mussten und dies auch ordentlich schafften. Guter Sound und ebensolche Songs waren Garant dafür, während der ersten Songs war die Band zwar noch nicht ganz auf der Höhe in Sachen Abstimmung gerade bei den Gitarren, danach rockte es dann aber wie geschmiert. Von der neuen gab es ‚The Prison Of Reason‘, ‚Turn To Ash‘ und ‚Rituals Of Time‘ die allesamt richtig geil klangen, gerade durch den Groove den diese Songs versprühen. Die Knaller vom Vorgänger fehlten ebenfalls nicht ‚Cities Of The Dead‘ und ‚Soul Poison‘, doch wiedereinmal bewiesen die „Inwards“-Knaller, wie stark dieses Album, gerade auch drei Jahre später, tatsächlich war. ‚Life Ending Part‘, ‚Unconditional‘ und ‚Locked In Motion‘ treten einfach dermaßen Arsch, dass man nur noch Haare schütteln muss. Das Publikum war auch erwacht und bangte sich bereits warm, um dann die Reiter zu erwarten.

Die kamen dann auch und vor der Bühne war richtig was los, vielleicht wäre eine Position weiter vorn (etwa Vorabend) im Billing angebracht gewesen, denn wie die Apokalyptischen Reiter empfangen wurden, dass war schon aller Ehren wert. Zurecht auch, denn die letzten Alben sind Hitalben, die ersten zwei auch nicht schlecht. Live waren sie schon immer groß, so dass nichts einer Nachmittagsparty im Weg stand. Mit ‚Wahnsinn‘ ging es los und dann gab es eine Vollbedienung von fast allen Alben. Leider immer noch ohne ‚Eruption‘, dafür aber mit ‚Reitermaniacs‘, ‚Die Sonne Scheint‘, ‚We Will Never Die‘, ‚Du Kleiner Wicht‘, ‚Unter Der Asche‘, ‚Erhelle Meine Seele‘, ‚Reitermania‘ und zu Ehren von Motörhead ‚Iron Fist‘ (nicht die Coverversion). Fuchs turnte ungefähr überall auf der Bühne herum und lachte sich am laufenden Band einen Ast, wie auch der Rest der Band vor Spielfreude sprühte. Das zahlreiche Publikum dankte es und sang viele Refrains aus vollem Halse mit. Toller Auftritt nur viel zu früh.

Dann kam eine Band die nicht so zahlreich besucht wurde, vielleicht auch weil sie in Vergessenheit geraten ist. Nuclear Assault haben in den Achtzigern drei Alben veröffentlicht, die sehr hörenswert sind, wenn man auf eine Mischung zwischen Thrash Metal und hektischem Hardcore Punk steht. Aber dieser Auftritt sollte sicher nicht viele neue Fans gebracht haben, da weder der Sound, der über weite Strecken schrecklich war, noch die Performance Anlass zu Applaus gaben. Gerade Sänger und Gitarrist ... schien Probleme zu haben seine Aktivitäten zu koordinieren, sang zu weit vom Mikro entfernt. Die Synchronität der Gitarren war nicht gegeben, daher klangen es auch ziemlich chaotisch, was da verzapft wurde. Bei einigen Songs passte es zwar aber im Großen und Ganzen betrieb die Band Selbstdemontage, da konnte auch Danny Lilker am Bass nichts retten. Auf Songs verzichte ich, einfach sehr mager und enttäuschend.

Dritte Wahl waren auf der Zeltbühne angetreten und feierten einen grandiosen Auftritt, das Publikum war bestens aufgelegt und die Band nutzte die Gunst der Stunde, um sich nachhaltig als klasse Mischung zwischen Metal und Deutschpunk ohne platte Texte zu präsentieren. Das volle Zelt wollte natürlich Klassiker hören und die gab es auch: ‚So wie Ihr seid‘, ‚Hash‘, und ‚Auge Um Auge‘ waren meine Favoriten. Auch der Verlust des Bandmitgliedes Busch‘n scheinen Dritte Wahl gut verkraftet zu haben und so gab es eine Dreiviertelstunde en masse ehe die Rostocker nach einem gelungenen Auftritt die Bühne verließen.

Kurze Essenspause, letzte CD-Einkäufe tätigen und dann ab zu den Hellacopters, die zwar musikalisch nicht ganz zu passen schienen, aber gerade deswegen einen herrlichen Kontrapunkt des Festivals bildeten. Der lockere 70er Rock mit einem Hauch Rock‘n‘Roll lud zum entspannten in der Sonne liegen und Wolken beobachten ein, im Hintergrund der Soundtrack mit weichen Gitarren, Melodien und fast sanftem Schlagzeug, man konnte liegen und ausruhen. Sound und Musiker ließen keine Wünsche offen, so dass auch die verrockteste von allen New Wave of Scandinavian Rock‘n‘Roll Bands ihre Livepunkte sammeln konnte. Sicher auf Platte nicht ganz so fett wie Gluecifer, aber sehenswert und sehr relaxt die Herren. Starker Auftritt, der Lust auf mehr machte.

Und mehr kam. Anthrax, einer der großen Vier des Thrash Metal kam in Originalbesetzung mit einem gewissen Herrn Joey Belladonna am Mikro. Wie schon bei Maiden wurden nur die ersten vier Alben mit Songs bedacht, wobei es hier nicht so wichtig war wie bei den Engländern. Das Debüt wurde trotzdem nur mit ‚Metal Thrashing Mad‘ in der Zugabe bedacht, aber es gab nacheinander ‚Antisocial‘, ‚N.F.L.‘, ‚Indians‘ und ich danke dir Metalgott, einer meiner Träume wurde wahr auf diesem Festival Anthrax spielten tatsächlich ‚Medusa‘ ihren meiner Meinung nach besten Song nach Jahren wieder live. Damit hatten die New Yorker sowieso schon gewonnen, aber sie gaben sich nicht zufrieden. ‚Madhouse‘ und ‚A.I.R.‘, was soll ich sagen, es war ein Fest und Anthrax wurden ihrer stellvertrenden Headlinerposition mehr als gerecht. Joey sang stark und machte die Entscheidung wer nun der bessere Sänger der Band nicht gerade leichter. Held des Abends war Frank Bello der völlig entfesselt über die Bühne raste und auch einen Mikrophonständer nach dem anderen zerlegte. Herlich sein Sidekick während er spielte. Scott Ian ist eine der Schlüsselfiguren des Metal überhaupt und genauso steht er auch auf der Bühne cool, nicht abgehoben, einfach klasse diese Band im Ganzen. Würdiger Vertreter und mit Maiden und den Reitern die beste Band des Festivals.

Danach war Schluss, es hieß noch in der Nacht nach Hause zu fahren und wie in den Jahren zuvor, war auch dieses Festival unglaublich gut. Die Bandzusammenstellung klasse, die Organisation immer besser und dann müssen natürlich auch die richtigen Leute mitfahren, um den Spaß zu garantieren. Nächstes Jahr wieder, dann natürlich mit Motörhead.

Christian Kremp