Es war mal wieder Zeit für ein Familientreffen. In Halle 101 luden Uriah Heep zum Gastspiel und die Menge kam. Die sympathische Band um das mittlerweile mit schlohweißer Mähne ausgestattete Gründungsmitglied Mick Box hat einen festen Fanstamm in Deutschland, aber in diesem Fall passte wirklich kein zusätzlicher Besucher in die restlos ausverkaufte Halle 101.
Den Anfang an diesem Konzertabend machten allerdings die regionalen Deutschrocker Gelbsucht, die mit ihren Gute-Laune-Rocksongs mit deutlichen AC/DC Anleihen beim anwesenden Publikum gut punkten konnten. Allerdings stellte sich bei der (Gott sei es gedankt!) einzigen Ballade in deren Set vorübergehend ein Pur-Gefühl ein. Diesen Eindruck bügelten die vier Jungs und zwei Mädels mit der 'Back In Black' Coverversion, zu der sie fröhlich den Text von 'Marmor, Stein und Eisen bricht' intonierten wieder wett. Und die abschließende Nummer 'Ich geh mit meiner Laterne', die wegen der terminlichen Nähe zu den St. Martinsumzügen ins Set gerutscht war, bescherte der liebenswerten Band endgültig den Sympathiepreis.
Nach relativ kurzer Umbaupause enterte die Band die Bretter, für die wir alle uns auf den Weg nach Speyer gemacht hatten: Uriah Heep. Eine Band, die vor vierzig Jahren zusammen mit Led Zeppelin, Deep Purple und Black Sabbath den Hardrock/Heavy Metal erfunden hatte. Und, um es gleich vorweg zu nehmen, wir durften einen außergewöhnlichen Abend erleben! Dass Uriah Heep definitiv keine Kirmesmusiker sind, die zu Halbplayback ein Oldieprogramm lieblos herunterspulen machten sie von Beginn an sehr deutlich. Die Show wurde von der Quasi-Instrumentalnummer 'Wake The Sleeper' vom gleichnamigen 2008er Album eröffnet. Und dieser Titel tritt so gnadenlos in den Hintern, dass alle gleich hellwach waren. Es folgte unmittelbar 'Return To Fantasy' aus dem Jahr 1975 in einer großartigen Version. Dann war erst einmal Schluss mit alten Hits und die Band zelebrierte ihre Songs der Alben "Wake The Sleeper", "Celebration" (2009) und "Sea Of Light" (1995), lediglich kurz unterbrochen von "Bird Of Prey" (1971). Besonders beeindruckend die düsteren Nummern 'Corridors Of Madness' und 'What Kind Of God', aber auch das flott und heavy abgroovende 'Overload' und 'Only Human' konnten absolut überzeugen.
Ein echtes Schmankerl war 'Love In Silence', das mit seinen symphonischen Teilen für grenzenlose Begeisterung sorgte. Natürlich kamen auch die Oldie Fans nicht zu kurz. Mit 'Free Me' wurde dann das Songfestival der 70er Jahre endgültig eröffnet. Daran schloss sich der härteste Uriah Heep Song der 70er Jahre mit 'Free'n'Easy' (von "Innocent Victim", 1978) an. Dass die Band 'Gypsy' vom Debütwerk "Very 'eavy...Very 'umble" (1970) inklusive des progressiven Intros spielte ließ auch die Feinschmecker das eine ums andere Mal mit der Zunge schnalzen. Es folgten noch etwas überraschend 'Sunrise' ("The Magician's Birthday", 1972) und danach die Klassiker 'The Wizard' ("Demons And Wizards", 1972), 'Look At Yourself' und 'July Morning' (beide "Look At Yourself", 1971) und das unvermeidliche 'Easy Livin'' (ebenfalls "Demons And Wizards", 1972).
Im Zugabenteil wurde dann noch das selten im Live-Set unterkommende 'Sympathy' ("Firefly", 1977) und das zumindest in Deutschland unverzichtbare 'Lady In Black' ("Salisbury", 1971) zum Besten gegeben, bevor durch das Erklingen von 'Pomp & Circumstance' endgültig klar war, dass nach viel zu kurzen 120 Minuten der Auftritt dieser Giganten zu Ende war.
Als kleinen Nachschlag kam die Band etwa eine dreiviertel Stunde nach dem Ende des Konzertes noch brav zum Schreiben von Autogrammen und für unendlich viele Erinnerungsfotos an den Merchandisingstand. Mick Box und Trever Bolder versprachen beim anschließenden Gespräch, dass sie im nächsten Jahr wieder nach Deutschland kommen würden. Ich jedenfalls kann dies kaum erwarten. Einziger kleiner Minuspunkt war der vielleicht manchmal etwas zu basslastige Sound, der einen Hauch zuviel Hammondorgel (vor allem in den unteren Registern) transportierte. Dafür hätte man die Gitarre noch etwas präsenter gestalten können.
Und wieder einmal ein großes Kompliment an die Organisation. Wie man es hier immer wieder schafft, alles stressfrei zu koordinieren und die Konzertbesucher zur Einhaltung des Rauchverbots zu bringen ist nichts weniger als vorbildlich! Da kommt man gerne wieder!
Frank Scheuermann