Wenn In Extremo zur Geburtstagsfeier laden, will man sich das natürlich nicht entgehen lassen, zumal Kollege Car Sten schon im Vorfeld von der Loreley-Bühne geschwärmt hatte. Also flugs die Taschen gepackt und schon am Nachmittag des 03. eintrudeln – man will ja nix verpassen. Dass es beim Einweisen kleinere Kommunikationsprobleme gab und man mehrfach von Pontius zu Pilatus geschickt wurde – geschenkt, sowas kommt ab einer bestimmten Veranstaltungsgröße halt vor. Trotzdem hier ein Dankeschön an jene Securitydame, die mein Stellplatzproblem unbürokratisch gelöst hat. So fand man dann am Abend auch noch Zeit, sich den Abschluss des Bandcontests zu Gemüte zu führen. Haggefugg erspielten sich an diesem Abend nicht nur die Herzen einiger Fans, sondern auch einen Slot am zweiten Tag. Die Jungs quartierten sich prompt unmittelbar neben der Zeltdisco auf dem Campingplatz ein und ließen es sich nicht nehmen, diesen auch öfter mal mit spontanen Musikeinlagen zu beschallen.
Am Freitag galt es dann erst einmal, den Mittelaltermarkt zu besuchen, der zeitig vor den Bands öffnete und auch ganz ordentlich Besucher zog. Auch wenn die Anordnung für meinen Geschmack ein bisschen arg übersichtlich (langgezogenes Quadrat) war, konnte man sich über ein mangelndes Angebot wahrlich nicht beklagen. Das merkte man auch am zunehmenden Anstrom der Besucher.
Auf der Bühne machten sich derweil die Mannen von MANNTRA ans Werk und bescherten vor – leider – noch dünn besiedelten Rängen eine Kostprobe ihres „Balkan Rock“. Auch die Israelis von ORPHANED LAND mussten noch unter dem recht unbeständigem Wetter und dem „frühen“ Slot leiden – so mancher Besucher hatte offenbar bereits am Vortag noch eine eigene Feier durchgezogen.
Erst OMNIA lachten sowohl das Glück als auch die Sonne. Die Niederländer durften zwar noch einige Lücken in den Rängen verschmerzen, aber diese schlossen sich im Verlauf der guten halben Stunde Spielzeit rasch. Das dürfte an der Songauswahl – etwa „I don't speak human“, „Earth Warrior“, „Black House“ und „Etrezomp Ni-Kelted“ - ebenso gelegen haben wie daran, dass sie merklich Bock auf den Auftritt hatten.
RUSSKAJA versprühten mit ihrer Mischung aus Ska, Rock und Polka schon von Anfang an Energie, wie im ersten Lied „Energia“ auch schon angekündigt. Die sprang auch auf das Publikum über, was sich daran zeigte, dass sih schon zum zweiten Lied „Change“ eine wachsende Polonäse durch die Menge den Weg bahnte. Für „Psycho Traktor“ musste man dann Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten nehmen, eine Circlepit in einem Amphitheater wäre – vorsichtig ausgedrückt – gewagt. So kam es dann, dass ein großer Teil des Publikums dem Aufruf von Fronter Georgij folgte und einen Kreis um die eigene Mitte beschrieb. Auch wenn ich mit Ska eher wenig am Hut habe, konnten die Russen vollends begeistern.
Brechend voll wurde es dann bei den Finnen von KORPIKLAANI. Hier begann auch – zum Leidwesen der Fotografen – der WDR mitzuschneiden. Jonne Järvelä tanzte in gewohnter Weise wie ein Derwisch über die Bühne und legte gleich mit „Viinamäen mies“ ordentliches Tempo vor. Großartige Ansagen an das Publikum brauchte es hier gar nicht mehr, die Menge war mit vollem Eifer mit dabei, „Vodka“ wäre dafür gar nicht mehr nötig gewesen. Auch die Wetterlage war den Finnen gewogen und spätestens beim abschließenden „Juodaan viinaa“ hatte man auch die letzten Stimmungsmuffel endgültig infiziert
Damit war man für SCHANDMAUL ordentlich vorgeheizt, diese ließen es aber mit „Vor der Schlacht“ erst mal eher ruhig angehen. Über „Drachentöter“ und „Teufelsweib“ steigerte man sich kontinuierlich, bis es mit Songs wie „Krieger“, „Vogelfrei“, „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ oder „Walpurgisnacht“ in die vollen ging. Den Abschluss machten dann die wunderschönen ruhigen Klänge von „Dein Anblick“, die dem Publikum nochmal Gelegenheit zum Durchatmen gaben, ehe die Gastgeber sich auf die Bühne begaben.
IN EXTREMO ließen es dann auch ordentlich krachen. Dass man mit Klassikern Fanservice betreiben würde, das konnte man ja schon vorher erwarten. Und die Erwartungen wurden nicht enttäuscht: vom Auftakt mit „Erdbeermund“ über altbekannte Dauergäste wie „Frei zu sein“, „Herr Mannelig“, „Küss mich“ oder „Spielmannsfluch“ bis hin zu selteneren Schätzen wie „Stetit Puella“, „Die Gier“ und „Hiemali Tempore“ zog man alle Register. Die Inszenierung stand, wie es sich für ordentliche Spielmannsleute gehört, dem Liedrepertoire in nichts nach. Ob bombastische Pyrofontänen, Glitterregen oder ein brennender Galgen – das Auge aß mit. Das Publikum ließ sich entsprechend nicht lumpen, was nach „Werd ich am Galgen hochgezogen“ denn auch mit einem Kniefall des Fronters Rhein vor dem Publikum quittiert wurde: „Da muss sogar ein ein In Extremo knien“. Nach diesem furiosen Auftakt stellte sich natürlich die Frage, ob man das auch am nächsten Abend erreichen oder toppen würde.
Samstags zeigte der Herbst leider etwas deutlicher seine Krallen. Zwar war es im immer wieder durchbrechenden Sonnenschein durchaus wohlig warm, während der kurzen Schauer und gerade gegen Abend wurde es dann aber doch eher ungemütlich.
Die Auftritte des Bandcontestsiegers HAGGEFUGG und der Mannen von COR konnten wir leider nicht mehr besichtigen, immerhin schaffte man es noch zu DRITTE WAHL, wo sich zeigte, dass wir nicht allein unter dem Wetter und dem langen Abend gelitten hatten. Noch waren die Ränge spärlich besetzt, was aber sicherlich nicht am Punkrock der Rostocker lag, die eine solide Show ablieferten und immerhin bei strahlendem Sonnenschein spielen konnten.
FIDDLER'S GREEN hatte da schon weniger Publikumsprobleme und die Nürnberger spielten auf dem Publikum wie auf einer Violine (man möge mir den naheliegenden Wortwitz verzeihen). „The more, the merrier“, „Old Dun Cow“, „Yindy“ … es bedurfte nur weniger Lieder, um sich in die Herzen der Fans zu spielen und das Publikum zum Mittanzen zu animieren. Beim abschließenden „Folks not dead“ hatte man das Publikum ordentlich aufgeheizt und war bereit für den Übergang in elektronischere Gefilde.
Die sollten die beiden folgenden Bands ausloten. DIE KRUPPS legten mit „Crossfire“, „Kaltes Herz“ oder „Road Rage Warrior“ ordentlich vor – möchte man meinen. Leider meinte es die Technik nicht gut mit der Industrialformation: was da kam, klang viel zu dünn und erreichte einen Großteil der Menge nicht, so dass schnell der Ruf nach mehr Lautstärke aukam. (Anmerkung: Im Interview mit Jürgen in Neunkirchen sollte sich rausstellen, dass aufgrund einer falschen Verkabelung beim Publikum lediglich der Monitormix des Gitarristen ankam). Frustrierend auch für Jürgen, der angesichts einer nicht besetzten Mischbox denn auch kurzerhand die Fans aufforderte, jemand möge hochgehen und alle Regler hochstellen. Man wünschte sich, dass es einer getan hätte. Immerhin spielte man sich tapfer durch das verbleibende Set, ignorierte Komplettaussetzer bei „Robo Sapien“ und bedankte sich beim Publikum, das sich immerhin zum Großteil auch durchgekämpft hatte – nicht aber ohne ein „...auch wenn die Abmischung Scheiße war“ hinterherzuschieben...man kann es verstehen.
Offenbar hat man die Umbaupause eifrig genutzt, denn EISBRECHER blieb das Schicksal einer schlechten Abmischung erspart. Dafür öffnete Petrus allmählich die Schleusen. Alexx und das Publikum focht das weniger an: ersterer kam stilsicher im Kapitänsmantel auf die Bühne, während letzteres sich Kälte und Nässe aus dem Leib tanzen konnte. Der passende Soundtrack für das Freiluftworkout wurde gleich mitgeliefert: Von „Willkomen im Nichts“ und „Fehler machen Leute“ über das obligatorische „This is Deutsch“ bis hin zu „Verrückt“ und „Miststück“ gab es ausreichend Gründe zu tanzen. Alexx zeigte sich wie immer humorvoll und leicht selbstironisch, wenngleich er es sich nehmen ließ, bei der Ansage zu „This is Deutsch“ seine persönliche Meinung zur Flüchtlingsthematik einfließen zu lassen.
Last but not least betraten erneut die Gastgeber die Bühne. Mit „Sängerkrieg“ eröffnete man ein Set, das wiederum wenig Wünsch offen ließ. „Zigeunerskat“, „En esta noche“, „Gaukler“, „Feuertaufe“ … ehe der Abend mit „Vollmond“ sein Ende fand, gab es einen bunten Mix aus praktisch allen Schaffensperioden und dankenswerterweise auch das ein oder andere Lied, welches man schon länger nicht mehr gehört hatte. Auch Showtechnisch kleckerte man nicht, neben den obligatorischen Pyros in allen erdenklichen Konstellationen wurde das Publikum mit Konfetti und Luftschlangen überhäuft und abschließend noch mit einem echten Feuerwerk überrascht. Dass man die letzte Stunde im Regen gestanden hatte, war da völlig nebensächlich.
Insgesamt ein denkwürdiger Geburtstag. Man mag gespannt sein, was die Herren in 5 Jahren auf die Beine stellen, wenn es gilt, ein Vierteljahrhundert zu begehen.
Eure Roadcrew
KoJe + Susi