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Hard Road

Label: EMI Music (1968/69; 2014)

Wenn man von Deep Purple spricht, dann denken die allermeisten an die klassische Besetzung mit Ritchie Blackmore (guitar), Jon Lord (Keyboards), Ian Paice (drums), Ian Gillan (vocals) und Roger Glover (bass). Dass es sich dabei bekanntermaßen um die Mark II Besetzung handelt, wird gemeinhin vergessen - und, dass es schon drei Veröffentlichungen vor diesem Line Up gegeben hat. Statt Ian Gillan stand zuvor Rod Evans am Mikrophon und anstelle von Roger Glover sorgte Nick Simper für die tiefen Töne.

Wenn man die Musik von Mark II durchaus als Hardrock und Vorläufer des Heavy Metal ansehen kann, so fällt dies bei den Aufnahmen von Mark I noch sichtlich schwer. Vielmehr handelt es sich hier um einen Hybrid, der ganz dem Zeitgeist entspricht: Psychadelische Gitarren, beatleesque Harmonien, Coverversionen angesagter Rocksongs im typischen Slow Motion Sound von Vanilla Fudge. Hier ist all das gegeben. Dazwischen ambitionierte Eigenkompositionen zwischen Beat und Proto Progressive Rock, zuweilen sogar leichte Anklänge an das, was später mit "In Rock" veredelt werden sollte. Diese liebevoll aufgemachte Box vereint auf fünf CDs die ersten drei Veröffentlichungen unter dem Banner "Deep Purple": "Shades Of Deep Purple" (1968), "The Book Of Taliesyn" (1968) und "Deep Purple" (1969). Den logischen Abschluss dieser Phase macht eigentlich das "Concerto For Group And Orcestra" (1969), das die klassischen Elemente des Stücks "April" (vom Album "Deep Purple") weiter aufgreift und vervollständigt, das allerdings dann schon mit Gillan und Glover live in der Royal Albert Hall aufgenommen worden ist. Die ersten beiden Scheiben von 1968 kommen in dieser Box gleich in Mono und Stereoversionen vor und enthalten jeweils unterschiedliche Bonusstücke. Da "Deep Purple" gleich ausschließlich in einer Stereoversion veröffentlicht worden ist, gibt es hier lediglich eine Version.

Die herausragenden Songs dieser Box sind sicherlich "Hush", "Mandrake Root", "Wring That Neck", "River Deep, Mountain High", "Chasing Shadows", "April" und "Why Didn't Rosemary". Das Booklet ist sehr üppig ausgestattet und die Miniatur-LP-Covers mit in kleiner Schriftgröße ergänzten Listen der Bonustracks sind einfach putzig. Allerdings gibt es trotz gutem Sound und schöner Darstellung den einen oder anderen Kritikpunkt: Wenn man sich schon die Mühe macht, die Mark I Phase dieser Band zu würdigen, warum fehlen dann Stücke? Die kompletten BBC Sessions wurden ausgespart, ebenso die US TV-Version von "Hush", die schon auf der remasterten Version von "Shades Of Deep Purple" zu finden war. Und das auch noch bei einer durchschnittlichen CD Laufzeit von etwa 50 Minuten... Da wäre noch mehr drin gewesen, wenn man sich ein paar Gedanken mehr gemacht hätte. Der Komplettist hat nun neben der Box auch noch weiterhin die Einzelausgaben und die BBC-Kollektion 1968-70 im Schrank stehen. Und das ist schon ein klein wenig ärgerlich, wenn man sich ein Werk zulegt, das Vollständigkeit suggeriert.

Für Rod Evans war dann nach dieser Phase Schluss bei Deep Purple. Er tat sich mit ehemaligen Musikern von Iron Butterfly, Johnny Winter und Rhinoceros zusammen, um die unfassbar brillante Band Captain Beyond zu gründen, von der insgesamt drei Scheiben veröffentlicht worden sind. Nick Simper gründete danach Warhorse mit dem unfassbar guten Sänger Ashley Holt, der später mit ick Wakeman große Erfolge feiern sollte. Warhorse lieferten großartigen Hardrock zwischen Deep Purple, Uriah Heep, Atomic Rooster und Black Sabbath ab, konnten aber außer der Coverversion des Easybeats-Klassikers "St. Louis" beim Publikum nicht punkten und lösten sich dann sang- und klanglos auf. Nick Simper versuchte es dann später noch mit "Fandango" und 1980 mit seiner eigenen Version von Deep Purple, was ihm aber nach wenigen Konzerten gerichtlich untersagt wurde. Somit ist diese Box der finale Schlussstrich unter einer durchaus spannenden Episode in der Biographie einer der wichtigsten Bands der letzten 50 Jahre.

Frank Scheuermann

7/10






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