Label: Novum Verlag (2009)
Jeder Bassist müsste seinen Namen kennen, gehörte er doch in der Zeit von 1968 bis zu seinem viel zu frühen Tod 1975 zu den innovativsten Tieftönern des Planeten. Der in Neuseeland geborene Vollblutmusiker kam über den Umweg der Keef Hartley Band (Keef Hartley war ein legendärer Schlagzeuger bei John Mayall, der zumeist in voller Indianerverkleidung auftrat) und der Soloband von Miller Anderson (Savoy Brown, Keef Hartley, Spencer Davis Group, Broken Glass) schließlich zu der Gruppe, deren Sound er maßgeblich prägen und die sein Schicksal werden sollte: Uriah Heep. Mit diesen britischen Ur-Hardrockern spielte er die Klassiker "Demons And Wizards", "The Magician's Birthday", "Live", "Sweet Freedom" und "Wonderworld" ein, ehe er bei einem Konzert in Dallas auf der Bühne einen Stromschlag bekam. Von dieser Verletzung erholte sich der schmale Musiker niemals. Und der Druck, den er dabei fühlte, dass die Band seinetwegen auf Eis lag, verkraftete der sympathische Kerl so schlecht, dass er bei seiner angespannten gesundheitlichen Lage immer weiter in die Drogensucht rutschte. Schließlich wurde sein Zustand so instabil, dass Uriah Heep mit John Wetton (ex-Family, ex-King Crimson) einen Ersatzmann verpflichten mussten. Für Gary Thain war dies endgültig das Todesurteil. Und so verstarb er bald darauf an einer Überdosis.
Mit "Gary Thain - Meister der tiefen Töne" liegt nun ein biographischer Roman vor, den seine österreichische Freundin dieser Jahre, Sonja Wagner, nun im Rückblick verfasst hat. Dieses Buch wirft einen Blick auf einen brillanten Musiker und äußerst fragilen Menschen, der zwischen Unsicherheit und Genie hin und hergewirbelt wurde, und in der Beziehung zu einem jüngeren Mädchen den Halt zu finden hoffte, den ihm sonst nichts geben konnte. Dabei entsteht ein eindringliches Zeitportrait, das ich nicht nur Uriah Heep Fans ans Herz legen kann, sondern auch allen, die eine Erinnerung an diese Zeit haben (wie sagt doch ein schönes Sprichwort: "Wer sich heute noch an die 70er Jahre erinnern kann, der war sicherlich nicht dabei!"). Dabei stört zumindest mich der etwas unprofessionelle Schreibstil der Autorin nicht sonderlich. Man hat eben das Gefühl, dass sie versucht, die Dinge zu Papier zu bringen, die sie schon damals beschäftigt haben und die sie auch heute noch umtreiben. Natürlich ist das kein Musikjournalismus auf höchstem Niveau, aber allemal eine kurzweilige Lektüre (zumal, wenn man die ganz unverdächtig durchscheinende (Sexual-)Moral der damaligen Zeit in Rechnung stellt), die den Leser auf eine kleine Zeitreise mitzunehmen vermag. Marcel Reich-Ranicki wird dieses Buch wohl kaum empfehlen, aber es ist allemal besser als allerlei Romane um Jimi Hendrix oder Jim Morrison. Und das ist doch schon einmal was.
Frank Scheuermann