Reviews

Schneider, Helen
Collective Memory

Label: SPV (2015)

Zugegeben, ich habe Helen Schneider in den letzten 30 Jahren weitgehend aus den Augen verloren, nachdem sie mir meine pubertären Tage (und vor allem Nächte) mit ihrem sehr lasziven Gesang in ihrer Rockerphase sehrversüßt hatte. Alleine ihr Stöhnen bei ihrem größten Hit "Rock'n'Roll Gypsy", eine extrem tanzbare Coverversion des Rose Tattoo Klassikers "Rock'n'Roll Outlaw" war wie ein Tor in eine andere Welt. Zwischenzeitlich spielte sie New Wave, Pop, Jazz, begeisterte Weltweit mit ihren Interpretationen von Bert Brecht/ Kurt Weill-Kompositionen und konnte sich auch als Schauspielerin durchsetzen. Die wilde lange Lockenmähne um ihre sinnlichen Augen ist mittlerweile einem kurzen, glatten Schnitt gewichen - aber wer wollte es einer etwa 60jährigen verdenken, dass sie kein Sexobjekt mehr sein möchte? Nun legt sie seit vielen Jahren mal wieder eine Scheibe mit Popsongs vor. Die sind zwar nicht unbedingt nach dem Geschmack der meisten Metaller, aber sie haben Klasse und Stil und verbreiten eine Stimmung, die man am ehesten mit der aus den 60er Jahren vergleichen könnte. Mal kühl, mal eher erotisch, haucht und singt sie ihre stets packenden Songs und wird dabei von einem gut eingespielten Kollektiv an hervorragenden Musikern unterstützt. Leicht rockende Songs wechseln sich ab mit chansonhaften Liedern und manchmal erscheinen vor meinem gesitigen Auge Szenen einer Kneipe im Paris vor gut 50 Jahren, wo Menschen im Tabaksduft über existentialphilosophische Themen debattieren. Eine wirklich gelungene Scheibe einer großen Künstlerin, die es offensichtlich auch beim etwas jüngeren Publikum noch einmal wissen möchte - auch wenn die hautenge Lederhose mittlerweile (leider) endgültig ausgedient hat.

Frank Scheuermann

7/10 






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