- Piktor
- Erstes Vorspiel
- Erster Teil der Erzählung
- Purpur
- Zweites Vorspiel
- Zweiter Teil der Erzählung
- Der Baum
- Dritter Teil der Erzählung
- Sehnsucht
- Vierter Teil der Erzählung
- Piktoria, Viktoria
- Fünfter Teil der Erzählung
- Der Doppelstern
- Piktors Verwandlungen (Demo 1977/78)
Label: InsideOut (2008)
Was waren das für Zeiten...man traf sich mit seiner Latzhose bekleidet, die Füße in Jesussandalen, in einer Teestube, schlürfte ein heißes Aufgussgetränk auf Jasminbasis und diskutierte Atomkraft, Startbahn West, NATO-Doppelbeschluss und §218. Dazu erklangen aus den Kassettenrekordern und Plattenspielern anspruchsvolle Rockmusikklänge mit poetischen und Welt verbessernden Texte. Man machte sich zusammen mit Novalis Gedanken über lachende Schmetterlinge, träumte mit Hölderlin einen Traum oder forschte eben gemeinsam mit Anyone's Daughter Piktors Verwandlungen nach.
Das ist jetzt fast dreißig Jahre her. Die Rockmusik hat sich kräftig gewandelt. Punk kam und ging, Heavy Metal ebenso wie Nu Metal und Grunge. Songs mit poetischen Texten und einer Länge über 3,5 Minuten? Bestenfalls belächelt! Auf der anderen Seite Frickelorgien im Stil von Dream Theater, bei denen man sich zumindest zuweilen fragt, worin denn der Sinn von 45minütigen Tonleiterfolgen zu Stolperrhythmen besteht. Und nun das. "Piktors Verwandlungen", die rockmusikalische Umsetzung von Hermann Hesses philosophischem Märchen, wird wieder veröffentlicht. Dieses Werk ist vom gedanklichen Ansatz und von seiner musikalischen Durchführung her so weit von der aktuellen Musikszene weg, wie irgendetwas nur sein kann!
Anyone's Daughter, die deutsche Band mit dem englischen Namen (und den trotzdem mehrheitlich deutschen Texten), verband den Musikstil von britischen Artrockbands im Stile von King Crimson (die lyrisch-elegischen Stücke, nicht der Krach!), den frühen Genesis, Camel, Caravan oder auch Pink Floyd mit philosophischen Texten. Manchmal schoss man in der gewählten Bildersprache ein wenig über das Ziel hinaus. Allerdings muss man bedenken, dass Udo Lindenberg und Ton Steine Scherben damals noch nicht Musikgeschichte waren, sondern aktuelle Pioniere der deutschen Rocktexte. Alles war noch naiv und im Werden begriffen. Und das spiegelte sich auch in den manchmal zu poetischen Stücken von Hölderlin, Novalis oder eben auch Anyone's Daughter wider.
"Piktors Verwandlungen" ist musikalisch ein Highlight des deutschen Rock in seiner Frühphase. Handwerklich über jeden Zweifel erhaben, arbeiten sich die vier Musiker an ihren durchgestylten und trotzdem lebendigen Kompositionen ab. Nicht jeder wird die gesprochenen Zwischenstücke lieben, dafür müsste man die damalige Zeit schon miterlebt haben (ich habe...), aber alle Freunde richtig guten Art- und Progressive Rocks kommen hier voll auf ihre Kosten. Dass die Musikliebhaber von InsideOut (danke!) noch eine frühe Demoversion des Werks mit einer Spielzeit von fast einer halben Stunde als Bonus mit draufgelegt haben ist des Guten fast schon zuviel. Wem das noch nicht reicht, der soll sich mit dem Kauf sputen, denn die ersten Exemplare enthalten darüber hinaus noch einen schmucken Pappschuber mit einem historischen Konzertplakat als Miniaturposter. Nostalgisch und gut!
Frank Scheuermann