Label: keine Auswahl (2016)
Nach langen Jahren der seichten und unglaublich mäßigen Produktionen hatte es Udo Lindenberg, einer der wichtigsten Wegbereiter der deutschsprachigen Rockmusik (nach Rio Reiser von Ton Steine Scherben) mit "Stark wie zwei" vor einigen Jahren geschafft, wieder in den Olymp der deutschen Rockelite aufgenommen zu werden. Danach gab es wieder ausverkaufte Konzertreisen mit mächtigen Bühnenproduktionen und reichlich Medienpräsenz.
Nun hat er die Zeit seit der letzten Tour genutzt und sich und seinen Fans pünktlich zum 70. Geburtstag ein neues Studiolangeisen gegönnt. Nach dem überragenden Erfolg der Vorgängerscheibe und der MTV und Livescheiben war die Messlatte in ordentlicher Höhe positioniert. Damit war schon relativ früh sicher, dass "Stärker als die Zeit" ebenfalls hoch in die Charts eintreten würde. Doch kann die Platte die Erwartungen der Fans erfüllen?
Ja und nein. Als reifes Alterswerk kann man die CD durchaus beschreiben - oder besser: Könnte. Denn Udo Lindenberg wehrt sich mit seiner zuweilen etwas bemüht wirkenden Coolness genau gegen die immer wieder an ihn herangetragenen Erwartungen eines Übervaters des Deutschrock. Nicht mehr alles, was in den 70er Jahren wegweisend war, hat seinen Charm behalten. Aber er liefert trotzdem eine stabile Scheibe ab, die man in meinen Augen aber nicht mit den großartigen Frühwerken wie "Der Detektiv", "Ball Pompös" oder "Udopia" und "Keule" vergleichen sollte. Er gibt sich nämlich auch hinsichtlich der Arrangements eher dem Zeitgeist mit Alternative Sounds und Schrammelgitarren hin, als dass es die markigen Riffs vergangener Zeiten zu hören gäbe. Gut, das ist gewollt, denn schließlich soll eine neue Genration von Musikfreunden auf ihn aufmerksam werden, die eben die moderneren Sounds kennen und alles andere damit vergleichen.
Trotz der genannten kleinen Schwachpunkte ist "Stärker als die Zeit" eine coole Scheibe geworden, die Udo Lindenberg noch einmal als kreativen Kopf und Texter zeigt, der zwar nicht mehr auf dem Zenit seines Schaffens ist, aber immer noch zeigen kann, wie man es macht. Und live wird das alles auch wieder viel kerniger klingen als auf der platte. Versprochen.
Frank Scheuermann
8/10