Reviews

Still On The Road To Freedom

Label: Repertoire (2012)

Alvin Lee ist in die Musikgeschichte eingegangen. Der Mann, der mit seiner damaligen Band Ten Years After in Woodstock den Hochgeschwindigkeitswahn auf der Gitarre mit dem unsterblichen Klassiker 'I'm Going Home' ins Leben gerufen hatte, kommt mit einer neuen Scheibe in die Läden. Dass er selbst sich von der Griffbrettakrobatik schon früh wieder verabschiedet hat, hat kaum jemand zur Kenntnis genommen. Schon zu seligen Ten Years After Zeiten spielte er auch viele Songs ein, die eher folkig als hart rockend klangen (z.B. die geniale Scheibe "A Space In Time", 1971). Als er sich während einer kreativen Pause seiner Stammformation zu einem ersten quasi-Solostreich aufmachte, setzte er komplett auf ruhige Momente mit nicht minder brillanter Gitarrenarbeit. So entstand 1973 das Werk "On The Road To Freedom", zusammen mit dem Gospelrocksänger Mylon LeFevre, das durch dichte Atmosphäre und wunderschöne akustische Gitarren bezauberte.

Im weiteren Verlauf seiner Solokarriere, die immer mal wieder von Ten Years After Reunions unterbrochen war, wechselte er ständig seine Begleitmusiker aus und setzte auf unterschiedliche Musikstile: Kantiger Bluesrock mit Ten Years Later, synthetisch klingender Poprock mit der Alvin Lee Band oder Rock'n'Roll im Stile der 50er Jahre.

Bei der vorliegenden neuen Scheibe versucht sich Alvin Lee an der Synthese all dieser Spielformen auf einer CD. Dabei schneiden die Songs, die an die psychedelischen Ergüsse von Ten Years After anknüpfen mit Abstand am besten ab. Daneben gibt es aber auch akustische Kost, die zu gefallen weiß. Leider platziert Alvin Lee im Mittelteil der Platte einige Songs, die schon stark an seine Rock'n'Roll Phase erinnern und die durch ihre kompositorische Beliebigkeit den Schnitt nach unten drücken. Seine ehemaligen Mitstreiter von Ten Years After verstehen es dagegen seit ihrem Comeback mit dem jungen Flitzefinger Joe Gooch als Alvin Lee Ersatz konstant hochwertige Bluesrockplatten zu veröffentlichen. "Still On The Road To Freedom" ist trotz des kleinen Durchhängers in der Mitte eine durchaus hörenswerte Scheibe, auch wenn mir eine größere musikalische Nähe zum 1973er Werk besser gefallen hätte.

Frank Scheuermann






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