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See You On The Other Side

Label: Virgin Music (2005)

Mal wieder drängt eine Band auf eine Stiländerung, auf ein neues Kapitel in der Bandgeschichte. Nun hat Korn schon mal bewiesen, dass sie durch ihre Kreativität eine eigene Nische, eine eigene Musikrichtung erschaffen können und das damalige Resultat endete in einer riesigen Nu Metal Welle, die bis heute ein wenig abgeebbt ist. Vielleicht ist dieser Plan des Wechsels, Grund für den Abschied von Gitarrist Head, der seinerzeit spirituelle Gründe für den Ausstieg angab. Auf der letzten Tour hatte Korn bereits Ersatz. Die Jungs waren allerdings noch nicht bereit den „Ersatz“ zusammen mit ihnen auf der Bühne zu zeigen, denn er ist noch nicht so ein festes Mitglied, wie Head es war.

Mit diesem Loch im Line Up nahm Mastermind Jonathan die Zügel in die Hand um The Matrix und Atticus Ross als Produzenten ins Boot zu holen. Einen kleinen Vorgeschmack auf die neuen Korn, zeigten die Amerikaner auf ihrer Europa Tour, wo sie ‚Twisted Transistor’ und ‚Hypocrites’ zum Besten gaben. Ersterer ist wesentlich poppiger und weniger aggressiv als es die Band je in ihrer Geschichte war. Stilberater könnte hier Apoptygma Berzerk gewesen sein, doch nun zu ‚Hypocrites’. Der düstere Track hat zwar die Stimmung der alten Lieder und auch Jonathans gewohnte Stimmlage, einzig der Refrain ist etwas angepasster (an die Charts) geworden. Am krassesten lässt sich der elektronische Einfluss in ‚Throw Me Away’ hören, wo der Effekt allgegenwärtig ist. ‚Love Song’ ist ein Werk, zu dem sich die Gruppe damals niemals hätte hinreißen lassen. Der Text beinhaltet zwar diverse Slangwörter doch Stimmung kommt dennoch nicht auf, es sei denn man gewöhnt sich an „die neue Weichheit“. Auch durch ein tiefes, hart erscheinendes, Gitarrenriff darf man sich nicht mehr täuschen lassen, wie es das stampfende ‚Coming Undone’ besitzt. Wenn man hier die Effektschere ansetzen würde, könnte man etwas „korniges“ schaffen, das den Freunden der guten alten Zeit bestimmt gefallen würde. Insgesamt bekommt man Erinnerungen an „Untouchables“, welches von den meisten Fans als schlechtestes Album der Gruppe bezeichnet wird, auf welches 2003 aber der Hammer „Take A Look In The Mirror“ folgte. Vielleicht rudern die Kalifornier endgültig davon, hin in Richtung Industrial / Elektro / Pop und verlassen den Pfad der harten Gitarren. The Matrix war mal Produzent von Avril Lavigne und Mr. Davis sagte: “Wir haben ein Mitglied verloren, aber zwei neue (eben jene beiden Produzenten) hinzugewonnen.

Die neue Korn Platte ist für ein völlig neues Klientel gemacht und Korn wird wohl einige Fans verlieren, die ihnen ob ihrer Härte und Kompromisslosigkeit die Treue gehalten haben, ob dieser Verlust durch neue Fans aus einer anderen Musikrichtung ausgeglichen wird steht in den Sternen. Fest steht, dass die Kornanhänger zuerst reinhören sollten, bevor sie zugreifen, denn sonst erwartet sie vielleicht eine unliebsame Überraschung.

Winfried Bulach