ERH: Hallo Andy, kannst Du etwas zur Entstehungsgeschichte der neuen Scheibe "Blue Horizon" erzählen?
AP: Mit "Blue Horizon haben wir uns etwas mehr Zeit gelassen als mit dem Vorgänger "Elegant Stealth". Wir haben mittlerweile unser eigenes Studio und konnten uns daher etwas mehr Zeit lassen. Natürlich muss man da auch aufpassen. Wenn man zu lange an den Songs arbeitet, dann besteht die Gefahr, dass man das Ziel aus den Augen verliert. Als wir vor über 40 Jahren angefangen haben, hatten wir es leicht, die ersten drei Scheiben einzuspielen: Sie waren im Prinzip unser Liveset, das wir dann im Studio eingespielt haben. Später dann brauchten wir auf einmal drei oder vier Wochen, schließlich sogar Monate, bis alles fertig war. "Elegant Stealth" haben wir dann fast live eingespielt, bei "Blue Horizon" haben wir am Ende viele Tage mit den Gesangsspuren zugebracht.
Mit "Blue Horizon" wollten wir den typischen Wishbone Ash Sound wieder etwas erweitern. Darum haben wir auch Gastmusiker wie den Geiger Pat McManus mit an Bord genommen. Außerdem haben wir auch Leute aus unserem Umfeld als Songschreiber und Texter mit ins Boot geholt, unter anderem meinen Sohn. So wurde "Blue Horizon" zu einer Art Familienplatte. Einer der Songschreiber hängt schon seit Jahrzehnten mit uns herum.
ERH: Als Ihr vor Jahren die DVD zum 40. Bandjubiläum aufgenommen habt, hattet Ihr dieses witzige Intro mit der Stimme Gottes. Wann hast Du Gott getroffen und ihn überredet, bei Euch das Intro zu sprechen? Und was hat Gott eigentlich gegen Belgien?
AP: (lacht) Das hatte ich ja schon fast vergessen! Das war eine witzige Idee. Ich weiß allerdings nicht mehr, wie wir an diesen Tpen gekommen sind. Er spricht normalerweise für das Fernsehen und das Radio immer die Stimme Gottes, darum wird er in England auch nur "the voice of God" genannt. Was er allerdings gegen Belgien hat, das weiß ich beim besten Willen nicht. Aber es gibt da in England den einen oder anderen Witz dazu...
ERH: Hast Du eigentlich noch Kontakt zu den Mitgliedern der Urbesetzung?
AP: Ja, wir haben uns vor einiger Zeit vor Gericht gesehen. Du weißt ja, dass sie eine Band auf die Beine gestellt haben, die ebenfalls Wishbone Ash hieß. Aber das geht nicht, man kann nicht aus einer Band aussteigen und zwanzig Jahre später einfach den Namen für sich nehmen. Ich meine, nach ihrem Ausstieg musste es weiter gehen und jetzt wollen sie wieder ihr eigenes Ding durchziehen.
ERH: Ist es nicht traurig, dass eine Band, die in ihren Anfangstagen wie eine Familie war, sogar im gleichen Haus oder auch nur Bus gelebt hat, sich nur noch über Anwälte verständigt?
AP: Natürlich, aber es ist wie mit deiner Ex-Frau, die du Jahre nach der Scheidung wiedertriffst: Es ist alles anders. Versteh mich nicht falsch: Ich finde es toll, dass sie unsere Musik von damals noch spielen. Das dürfen sie jederzeit tun und damit auch die Flagge hochhalten. Aber sie dürfen es nur nicht unter dem Namen Wishbone Ash machen.
ERH: Ich bin selbst ein großer Fan der Band und besitze alle Platten bis auf zwei. Kannst Du erraten welche?
AP: Wahrscheinlich sind es "Trance Visionary" und "Psychic Terrorism"...
ERH: Wie um alles in der Welt kommt eine Band, die für melodischen Twin-Gitarrenläufe bekannt ist, auf die Idee, Technomusik zu machen?
AP: In beiden Platten steckt immer noch sehr viel Wishbone Ash! Es sind nur diese elektronischen Beats, die das Ganze modernisiert haben. Sieh, wir haben kurz zuvor mit "Illuminations" ein hervorragendes Classic Rock Album veröffentlicht - und keiner wollte es kaufen. Daher haben wir gedacht: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt um zu experimentieren. Und anscheinend hat es ja auch etwas gebracht: Nach all den Kontroversen um beide Platten waren wir wieder in aller Munde und unsere anschließenden traditionellen Rockscheiben verkauften sich wieder gut.
ERH: Wenn Du nur drei Wishbone Ash Platten nennen dürftest - welche wären die wichtigsten?
AP: Ganz offensichtlich "Argus", weil wir mit dieser Platte endgültig unseren Sound gefunden haben. Dann würde ich noch "There's The Rub" nennen, weil das der Einstieg von Laurie Wisefield war und wir den amerikanischen Markt damit erschlossen haben. Und dann wäre da noch "New England", mit der wir 1976 zu unserem Sound nach dem Ausrutscher "Locked In" wieder zurückgefunden haben.
ERH: Wie war Deine Reaktion, als Du von Trevor Bolders Ableben erfahren hast (TB war Bassist bei Uriah Heep und für etwa drei Jahre auch bei Wishbone Ash)?
AP: Ich war geschockt! Ich meine, er hatte auch als Bassist so unglaublich viel Power! Hör Dir seine Sachen mit Uriah Heep oder David Bowie an: "Hunky Dory" oder die Ziggy Stardust-Phase. Er ist ja auch in dem Livekonzert von 1973 zu sehen. Trevor und ich sind bis zuletzt gute Freunde geblieben und jedes Mal, wenn wir in seiner Nähe gespielt haben ist er zu den Konzerten gekommen und wir haben uns getroffen. Wishbone Ash hatten viel von ihrem Hardrocksound der frühen 80er ihm zu verdanken. Hör Dir nur einmal "Twin Barrels Burning" oder den Konzertmitschnitt vom Marquee Club an. Das war immer noch klassisch Wishbone Ash, aber mit richtig Dampf!
ERH: Vielen Dank für dieses Interview.
Das Interview führte Frank Scheuermann