In den letzten Jahren war es nicht immer ein Vergnügen, dem legendären deutschen Gitarrenzauberer seine Aufwartung zu machen. Zu sehr war er in diversen Löchern versackt und hatte danach nicht mehr die Möglichkeit, an sein Weltklasseformat anzuknüpfen. Doch die letzte Studioscheibe „In The Midst Of Beauty“ zeigte Schenker nicht nur wieder erstarkt sondern auch mit dem Ursänger von MSG, Gary Barden wiedervereint, einem Sänger, dessen Stärke eindeutig im Finden genialer Gesangsmelodien liegt. Denn genau dort lagen die Schwächen von Michael Schenkers Veröffentlichungen in den letzten Jahren.
Doch bevor sich der Blondschopf daran machen kann, die Pfälzer von seinen wieder erlangten Stärken zu überzeugen, klettert erst einmal die Ludwigshafener Band „Chucks“ auf die Bühne und erfreut mit ihren (größtenteils) Coverversionen zwischen Led Zeppelin, Deep Purple, Mötley Crüe und Iron Maiden die meisten Rockfans. Dazwischen kommt es zu vereinzelten Vorführungen eigener Kompositionen. Die Band hat Potenzial und wird zumindest in der Gegend noch von sich Hören machen. Nach einer guten ¾ Stunde ist dann Umbaupause und die Jungs werden mit freundlichem Applaus bedacht.
Kurz nach 21 Uhr entern MSG in der Besetzung Michael Schenker (guitars), Gary Barden (vocals), Chris Glenn (bass), Chris Slade (drums) und Wayne Findlay (rhythm guitar, keyboards) die Bühne. Dass die vier zuerst genannten Musiker alle der Riege der 70er Jahre Hardrocker entstammen, ist nicht nur zu hören sondern auch deutlich zu erkennen. Kaum zu glauben, dass Chris Glenn, der anno dazumal in der Sensational Alex Harvey Band synchron mit Gitarrist Zal Cleminson beim Spielen Can-Can getanzt hat, heute aussieht wie ein Braumeister kurz vorm Ruhestand (will besagen: er schmuggelt noch einmal unterm Hemd ein 50 Liter Fass aus der Firma…). Aber die Performance ist klasse. Vom ersten Ton an ist klar, dass Michael Schenker alle Alkohol- und Drogenprobleme im Griff hat. Seit seiner Reuniontour mit UFO habe ich ihn nicht mehr so fit und spielfreudig erlebt. Am Gesang Gary Bardens haben sich schon vor fast dreißig Jahren die Geister geschieden – ich persönlich liebe diese Stimme. Allerdings erreicht er die hohen Töne nicht mehr so souverän wie damals, vor allem bei „On and On“ und „Attack Of The Mad Axeman“ wird das sehr deutlich. Die Band spielt sehr tight, auch wenn man es an ein paar Stellen spüren kann, dass Schlagzeuger Chris Slade erst seit wenigen Tagen zur Band gehört. Ihm sind noch nicht alle Breaks vertraut, aber er steckt das mit der Souveränität eines absoluten Profis weg. Immerhin durfte er ja schon bei Manfred Mann’s Earthband, Uriah Heep, Terra Nova, Gary Moore, The Firm, Asia und AC/DC die Felle gerben.
Die Setlist hält wenige Überraschungen bereit und reproduziert weitgehend „One Night at Budokan“ aus dem Jahr 1981, aufgebessert um drei Songs aus der aktuellen Scheibe „In The Midst Of Beauty“. Herausragend ist die Darbietung von „Into The Arena“, der wohl genialsten Instrumentalnummer aller Zeiten. Vom 1983er Werk „Built To Destroy“ wird lediglich „Rock My Nights Away“ intoniert, das göttliche „Rock Will Never Die“ genauso vernachlässigt wie der geniale „Desert Song“ von „Assault Attack“ (1982). Doch auch die letzten Nörgler müssen verstummen, als im Zugabenblock die beiden unsterblichen UFO-Klassiker „Doctor, Doctor“ und „Rock Bottom“ (beide von „Phenomena“, 1974) aus der Hüfte geschossen werden.
Nach gut 100 Minuten Gesamtspielzeit ist dann ein guter Gig zu Ende, der Hoffnung auf weitere gute Jahre mit dem deutlich verbesserten Michael Schenker macht.
Die Organisation bei Halle 101 war wie immer vorzüglich. Ich möchte an dieser Stelle auch dem Veranstaltungsteam noch einmal danken, das sechs Lesern unseres Magazins Eintrittskarten geschenkt hatte. So machen Konzerte Spaß!
Frank Scheuermann